Wer gegenwärtig im Kino ein Rendezvous auf herkömmlichem Wege
erzählt, läuft Gefahr, das Publikum zu langweilen. Die uralte
Boy-meets-Girl-Story, Junge trifft Mädchen - sowohl in umgekehrter Folge
als auch gleichgeschlechtlich zu besetzen -, lässt sich beliebig auf
der Geraden von einem Punkt zum anderen entwickeln. Diese übersichtliche
lineare Struktur hat sich bewährt.
Den Zuschauer zu fesseln wissen hingegen Filme, die sich von der leicht
nachvollziehbaren Geradlinigkeit verabschieden. Sie spielen auf den Koordinaten
zwischen Zufall und Bestimmung wie im Fall von Gwyneth Paltrow, die in der
britischen Produktion "Sie liebt ihn - Sie liebt ihn nicht" mit gravierenden
Folgen die U-Bahn erreicht oder verpasst. Oder sie hebeln Raum und Zeit aus,
etwa durch die Beseitigung der Erinnerungen an die Vergangenheit in "Vergiss
mein nicht", und geben einem Charakter mehrere Persönlichkeiten, z.B.
den Frauen in David Lynchs "Mulholland Drive". Ein neues, Schwindel erregendes
Beispiel für den nicht verbindlichen Umgang mit Realität ist der
Psychothriller "Sehnsüchtig" mit Josh Hartnett
("Black Hawk Down") und Diane
Kruger ("Troja").
Das Remake des Films "L'appartement" ("Lügen der Liebe") schickt den
selbstbewussten Banker Matthew (Hartnett) in Chicago durch einen Strudel
der unvorhersehbaren Ereignisse. Ausgelöst wird dieser durch ein Telefonat,
das Matthew zufällig in einem Restaurant mithört. Er glaubt, die
Stimme seiner ehemaligen Freundin Lisa zu erkennen, die vor zwei Jahren ohne
ein Wort verschwand. Als er zur Telefonzelle stürzt, ist sie leer. Der
Duft eines vertrauten Parfüms und der Schlüssel zu einem Hotelzimmer
bleiben zurück.
"Sehnsüchtig" webt ein verwickeltes Netz aus Intrigen und Lügen
um Matthew, der sich auf die Suche nach seiner verlorenen Liebe begibt. Visuell
unterstützt wird die Erschütterung und Illusion des Protagonisten
durch Rückblenden, hastige Schnitte sowie Schattierungen, in denen das
Geschehen aus wandelbaren Blickwinkeln wiedergegeben wird. An einigen Stellen
ist "Sehnsüchtig" indes so sehr in seine mysteriös verzweigte Form
verliebt, dass der Film - und erst recht der Zuschauer - den Überblick
verliert und die Konzentration leidet.
Im Gegensatz zum französischen Original, das die Schauspieler Monica
Bellucci und Vincent Cassell 1996 vor der Kamera zusammenbrachte, lotet die
amerikanische Neuverfilmung des schottischen Regisseurs Paul McGuigan den
Reigen der Liebe nicht aus. Das Ende, so viel sei verraten, ist ein
Zugeständnis an die lineare Konvention in einem vornehmlich knifflig
konstruierten, fesselnden Film.
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