Ein Film vielfacher Bewegungen. Aus der Fremde. In die Fremde.
In die Heimat. Rückkehr. Ankunft. Aufbruch. Eine Tochter kehrt zurück,
aus England nach Hongkong, zu einer Schwester, die dort heiratet, um bald
nach Kanada aufzubrechen. Die Mutter verlangt, zwanghaft fast, nach Anpassung
der Tochter: das rote Kleid, die Dauerwelle. Wir sind eine Familie. Der Vater
aber ist tot, lange schon, und die Rückblenden zeigen, dass von festem
Zusammenhalt nie die Rede sein konnte. Was die Tochter nie wusste, was einen
ersten Riss ins Selbstverständnis bringt: die Mutter stammt aus Japan.
Hongkong ist ihr ebenso Exil gewesen wie das China ihrer Schwiegereltern,
bei denen die Tochter die ersten Jahre verbracht hat. Vaterlos, kein Mutterkind,
im Gegenteil.
Die Tochter begleitet ihre Mutter bei der Rückkehr ins Japan
ihrer Jugend. In der Fremde, die nicht zuletzt eine sprachliche ist, kommt
sie der Mutter näher. Die Fremdheitserfahrung wird zum Spiegel, in dem
die Tochter, wie zum ersten Mal, die Mutter zu sehen bekommt, als Fremde,
die ihr in dieser Brechung vertraut wird. In geschickter Weise vollzieht
der Film diesen Prozess nach. Der Beginn wiegt den Betrachter mit dem
erzählenden Tochter-Ich, dem er anvertraut wird, in Sicherheit. So wird
auch die Unsicherheit identifikatorisch mitvollzogen. Was für eine Frau
ist die Mutter? Und wie die Tochter erfährt, was ihre Mutter erfahren
hat, schlägt die Abneigung des Betrachters um, unter dem Blick der Tochter,
in Verständnis. Erfahrung scheint das zentrale Thema des Films. Zur
Erfahrung der Mutter drängt er die Tochter und in der Erfahrung, die
auch der Betrachter mit dieser Erfahrung als Nach-Vollzug macht, lernt er,
was es heißt, eine Erfahrung zu machen. Sich ausgesetzt zu sehen in
eine Situation. Der Fremde ausgeliefert zu sein und den Fremden. Sprachlos
zu sein und desorientiert. Die gemeinsame Erfahrung führt, wie von selbst,
Erklärungen mit sich und diese bringen, wie von selbst, Verständnis
hervor.
Ann Hui forciert dabei nichts. Knapp und unter Umgehung aller
Sentimentalitäten setzt sie ihre Akzente. Im Zweifel hält die Kamera
Abstand und durchweg weiß sie, was sie will. Die Rückblenden werden
schwach markiert: auch in ihnen findet Annäherung statt. Es ist die
Gebrochenheit der Erfahrung der Fremde, die immer auch eine Erfahrung der
Versicherung im Erinnern ist, die den Film zusammenhält. Es gibt keine
kategorialen Unterschiede zwischen Erinnerung und Gegenwart. Der Film kennt
nur eine Bewegung, die in sich vielfach ist. Eine Bewegung, die nicht zur
Löschung der Spaltung führt, die die Erfahrung des Exils ist. Die
Löschung als Leugnung wäre Pathologie. Stattdessen geht es, ganz
humanistisch, um Akzeptierenlernen. Die Mutter kehrt mit der Tochter, die
ihr Leben nach dieser Erfahrungslektion weiterführen wird, zurück
in die Fremde, die ihre Heimat geworden ist. Diese Doppelung schlägt
der Film als Lösung vor, unter Verzicht auf Reinheitskonzeptionen: die
Fremde als Heimat, die Heimat als Fremde. Erst im Nachvollzug der Erfahrung
wird die Tochter zur Gesprächspartnerin der Mutter, deren Blockaden
sich so erst lösen können. Die eine lernt nun von der anderen:
und sei es, sich zurückzuhalten. Ein Film wie eine Therapie, gewiss.
Aber ohne Aufdringlichkeit, klug und souverän.
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