Während auf die Mehrzahl der Filmschaffenden in der ehemaligen
britischen Kronkolonie tatsächlich das Urteil zutrifft, sie seien -
zumindest was ihre Filme betrifft - politisch desinteressiert, konnte man
dies von der renommierten, schon mehrfach für ihre Arbeiten mit Hong
Kong Awards (dem lokalen Pendant zum US-amerikanischen Akademy Award)
ausgezeichneten, auch international bekannten Autorenfilmerin Clara Law Cheuk-yiu
nie behaupten. Noch vor dem Handover Hong Kongs an die Volksrepublik China
im Jahr 1997 ist Law, durch ihren im chinesischen Altertum spielenden TEMPTATION
OF A MONK (HK, 93) oder die zu gleichen Teilen in Australien und
Deutschland gedrehte Tragikomödie FLOATING LIFE (AUS, 97) mit
den Arbeitsbedingungen auf dem kommunistischen Festland ebenso vertraut wie
mit denen in der westlichen (bzw. südlichen) Hemisphäre, vorsorglich
zu ihrer schon in Melbourne, Australien, lebenden Familie emigriert.
In dem Nachrichtenmagazin Asiaweek (5. Dez. 97)
begründet sie diesen Schritt: In terms of censorship, its
obvious whats going to happen. I dont think the future looks
very bright. Ihre düstere Prognosen haben sich in dieser Form
bislang nicht erfüllt. Bis zum Beginn nächsten Jahrzehnts jedenfalls
können Hong Kongs Filmschaffende ihr manchmal etwas zweifelhaftes Treiben
relativ ungestört fortsetzen. Als typisches Mitglied der intellektuellen,
vielfach gebrochenen Wahrnehmungs- und Adaptionsprozessen unterworfenen Diaspora
Hong Kongs dreht Law in Australien THE GODDESS OF 1967 (AUS/NL/J, auch Drehbuch
mit Eddie Fong Ling-ching; 00), in dem sich ein Japaner down under
auf die Suche nach seinem Traumauto, einem Citroen DS (französisch
ausgesprochen Deesse, d.h. Goddess), Baujahr 1967 begibt. Neither silent
or moving. Neither perceivable or imperceivable. Neither nothing or everything.
A state of mystery, paradox, ambiguity. That is what I tried to capture in
this film, erfährt man von der sich wieder einmal sehr sphingisch
gebende Clara Law, Surferin zwischen Kulturen und Welten, über ihren
Film.
Mysteriös und grenzüberschreitend ist das in einem
stahlblau-kalten, düsteren Designer-High-Tech-Tokyo beginnende, dann
ins sonnendurchgleißte, farborgiastische australische Outback driftende
Road-Movie um einen designverliebten jungen Japaner und ein blinde Australierin
tatsächlich. Kulturelle Antipoden prallen aufeinander. (Eine der
Stärken des Films liegt in seinen überall deutlichen Farbverfremdungen
durch Filter und Nachbearbeitung.) Vor der archaisch-bizarren australischen
Savannenlandschaft entwickelt Law eine ebenso merkwürdig fremd gestaltete
Liebesgeschichte. Mit einer überraschend unsynkretistischen
ästhetischen Gesschlossenheit verzahnt sie diese mit einer noch weit
absonderlicheren Familiengeschichte, durch die sie finsterste seeliche
Abgründe auslotet. Wunderbare allegorische, in ihrer harten Reduzierung
schon wieder vieldeutige Bilder findet sie hierfür. Bilder, die gerade
noch in der desolaten, endzeitlich gestimmten Alltagswelt geborgen sind,
oft genug aber ebensogut schon einer surrealistischen Traumwelt zugehören
könnten. (Dem entsprechend stellt sich die blinde Heldin in einer
verfallenen Opalmine ihrem inzestuösen Vater, der gleichzeitig ihr
Großvater ist, zum Showdown.)
Allerdings liegt hierin auch das grundsätzliche Manko des Films,
wenn Law den Plot, schillernd-gebrochen wie ein geheinmisvoller Schwarzopal,
an einigen Stellen in die Überkonstruktion hineinschraubt, um der Story
noch den letzten Tropfen Poesie abzuzapfen, während sie ihre Objekte
in seltsamen Perspektiven einfängt. Trotzdem ist Laws Versuch eines
mehrfach überkreuzkulturellen, zwar im Hier und Jetzt spielenden, mit
einem Bein aber in einer westlich-retro-futurologischen Traumzeit stehenden,
dem Flow und dem Feeling von J. G. Ballards Stories nicht unähnlichen
Roadmovies - vielleicht so etwas wie eine ([tiefen-] psychologische) Analogie
zum Walkabout der australischen Eingeborenen - sehr bemerkenswert.
-MAERZ- (Axel Estein)
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