Stephen Daldry: The Hours (USA 2002)

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Stephen Daldry: The Hours (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

 [Image]

zum Interview mit Nicole Kidman

Berlinale-Kritik

Mit großer Kunstfertigkeit bindet Regisseur Daldry in den ersten Minuten die drei Geschichten zusammen, die „The Hours“ erzählen wird. Er schneidet zwischen drei Welten hin und her, dem Los Angeles des Jahres 1951, dem New York der Gegenwart und dem Jahr 1942, in dem Virginia Woolf Selbstmord begeht. Dreimal ein Blumenkauf, dreimal dieselbe Bewegung, mit der im schnellen Hintereinander filmischer Beinahe-Gleichzeitigkeit Blumen in eine Vase gestellt werden. Äußerst durchlässig sind die Membranen zwischen den Welten, die Kamera, der Blick des Betrachters gleiten hinüber von der einen Seite zur anderen, schwerelos, famos unterstützt noch vom verlässlichsten Schmiermittel, das an zeitgenössischer Soundtrack-Musik zu haben ist, den hypnotischen Minimalklängen von Philip Glass, sehr klavierlastig diesmal, aber erfolgreich in der Produktion einer Atmosphäre, die durch alle drei ineinander geschalteten Teile von „The Hours“ hindurchweht.

Wehen aber ist das falsche Wort, denn im Grunde steht die Luft, bei Woolf in England, im Leben der Laura Brown an der amerikanischen West- und in dem Clarissa Vaughns an Ostküste. Erzählt wird, nach dem Vorbild von Virginia Woolfs Roman „Mrs. Dalloway“ (ursprünglich geplanter Titel: „The Hours“) nur ein Tag aus dem Leben der drei Frauen, an diesem einen Tag jedoch, der Film zitiert es wörtlich, ein ganzes Leben. Sehr treu folgt Daldry da seiner Vorlage, Michael Cunninghams Roman, der mit Variationen und Übernahmen Virginia Woolfs Roman in einem cleveren Pastiche umspielte – und dafür den Pulitzer-Preis erhielt. Clarissa Vaughn (im Film: Meryl Streep) verliert den schwulen Dichter, die Liebe ihres Lebens. Laura Brown (Julianne Moore) entschließt sich eines Nachmittags, ihr Leben, ihre Familie für immer zu verlassen, um nicht im kleinbürgerlichen Alltag zu ersticken. Und Virginia Woolf (Nicole Kidman) schreibt an „Mrs. Dalloway“, geplagt von ihren inneren Dämonen. Es ist im Grunde weniger ein Roman als eine Kollektion dreier motivisch verknüpfter Kurzgeschichten, eine Auswahl prägnanter Ausschnitte aus dem Leben der Hauptfigur an einem Wendepunkt ihres Schicksals.

So wenig man Cunningham die schiere technische Raffinesse absprechen konnte – so geschmäcklerisch war das Ergebnis. Die Porzellanfiguren, die Charaktere darstellen sollten, waren mit sprachlichem Woolf-Imitat geschmückt, mit allerhand Motivmaterial aus der Vorlage behängt und in ihrem jeweiligen Habitat ausgesetzt. Die Gefühle, die Motive, die Schicksalsmomente: wie in Seidenpapier eingeschlagen, raschelnd, niemals rührend, scheinhaft belebt, aber nicht lebendig. Eine problematische Vorgabe also und leider ist Daldry eine ganz und gar kongeniale Verfilmung gelungen. „The Hours“ ist in Ausstattung und Inszenierung, im Spiel der Darsteller allerbeste Qualitätsarbeit.

Das Ergebnis aber ist nicht Kunst, sondern lediglich erlesenes Kunsthandwerk. Alles wirkt hier wie aus zweiter Hand, Imitat eines Originals, das mit höchst liebevoll angefertigten Figurinen nachgestellt wird. Figurinen aber bleiben sie und je größer die Gefühle sein sollen, die aus den Konstellationen entspringen, desto deutlicher wird klar, dass ausschließlich Abziehbilder agieren, die zu der Wirklichkeit, in der der Film sie mit Kostüm und Interieur zu verorten sucht, nicht die mindeste Verbindung haben. Die Gefühle bleiben in den Mund gelegt und ins Zittern der Mundwinkel von Meryl Streep, nicht aus dem Inneren kommen sie, sondern sind auf die Darsteller eines Schicksalsballetts aufgeschminkt, das mit mechanischer Präzision abläuft. Es fehlt dem ganzen nur eine weniges: Lebendigkeit, ein Hauch nur, der aus den Menschendarstellern Menschen gemacht hätte.

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