Mit großer Kunstfertigkeit bindet Regisseur Daldry in den
ersten Minuten die drei Geschichten zusammen, die The Hours
erzählen wird. Er schneidet zwischen drei Welten hin und her, dem Los
Angeles des Jahres 1951, dem New York der Gegenwart und dem Jahr 1942, in
dem Virginia Woolf Selbstmord begeht. Dreimal ein Blumenkauf, dreimal dieselbe
Bewegung, mit der im schnellen Hintereinander filmischer Beinahe-Gleichzeitigkeit
Blumen in eine Vase gestellt werden. Äußerst durchlässig
sind die Membranen zwischen den Welten, die Kamera, der Blick des Betrachters
gleiten hinüber von der einen Seite zur anderen, schwerelos, famos
unterstützt noch vom verlässlichsten Schmiermittel, das an
zeitgenössischer Soundtrack-Musik zu haben ist, den hypnotischen
Minimalklängen von Philip Glass, sehr klavierlastig diesmal, aber
erfolgreich in der Produktion einer Atmosphäre, die durch alle drei
ineinander geschalteten Teile von The Hours hindurchweht.
Wehen aber ist das falsche Wort, denn im Grunde steht die Luft, bei
Woolf in England, im Leben der Laura Brown an der amerikanischen West- und
in dem Clarissa Vaughns an Ostküste. Erzählt wird, nach dem Vorbild
von Virginia Woolfs Roman Mrs. Dalloway (ursprünglich geplanter
Titel: The Hours) nur ein Tag aus dem Leben der drei Frauen,
an diesem einen Tag jedoch, der Film zitiert es wörtlich, ein ganzes
Leben. Sehr treu folgt Daldry da seiner Vorlage, Michael Cunninghams Roman,
der mit Variationen und Übernahmen Virginia Woolfs Roman in einem cleveren
Pastiche umspielte und dafür den Pulitzer-Preis erhielt. Clarissa
Vaughn (im Film: Meryl Streep) verliert den schwulen Dichter, die Liebe ihres
Lebens. Laura Brown (Julianne Moore) entschließt sich eines Nachmittags,
ihr Leben, ihre Familie für immer zu verlassen, um nicht im
kleinbürgerlichen Alltag zu ersticken. Und Virginia Woolf (Nicole Kidman)
schreibt an Mrs. Dalloway, geplagt von ihren inneren Dämonen.
Es ist im Grunde weniger ein Roman als eine Kollektion dreier motivisch
verknüpfter Kurzgeschichten, eine Auswahl prägnanter Ausschnitte
aus dem Leben der Hauptfigur an einem Wendepunkt ihres Schicksals.
So wenig man Cunningham die schiere technische Raffinesse absprechen
konnte so geschmäcklerisch war das Ergebnis. Die Porzellanfiguren,
die Charaktere darstellen sollten, waren mit sprachlichem Woolf-Imitat
geschmückt, mit allerhand Motivmaterial aus der Vorlage behängt
und in ihrem jeweiligen Habitat ausgesetzt. Die Gefühle, die Motive,
die Schicksalsmomente: wie in Seidenpapier eingeschlagen, raschelnd, niemals
rührend, scheinhaft belebt, aber nicht lebendig. Eine problematische
Vorgabe also und leider ist Daldry eine ganz und gar kongeniale Verfilmung
gelungen. The Hours ist in Ausstattung und Inszenierung, im Spiel
der Darsteller allerbeste Qualitätsarbeit.
Das Ergebnis aber ist nicht Kunst, sondern lediglich erlesenes
Kunsthandwerk. Alles wirkt hier wie aus zweiter Hand, Imitat eines Originals,
das mit höchst liebevoll angefertigten Figurinen nachgestellt wird.
Figurinen aber bleiben sie und je größer die Gefühle sein
sollen, die aus den Konstellationen entspringen, desto deutlicher wird klar,
dass ausschließlich Abziehbilder agieren, die zu der Wirklichkeit,
in der der Film sie mit Kostüm und Interieur zu verorten sucht, nicht
die mindeste Verbindung haben. Die Gefühle bleiben in den Mund gelegt
und ins Zittern der Mundwinkel von Meryl Streep, nicht aus dem Inneren kommen
sie, sondern sind auf die Darsteller eines Schicksalsballetts aufgeschminkt,
das mit mechanischer Präzision abläuft. Es fehlt dem ganzen nur
eine weniges: Lebendigkeit, ein Hauch nur, der aus den Menschendarstellern
Menschen gemacht hätte.
zur Jump Cut Startseite
|