Die folgende Geschichte erzählt Amol Palekars Film "The Square
Circle": Eine junge Frau wird entführt, am Tag vor ihrer Hochzeit, mit
der Absicht, sie in ein Bordell zu verschleppen. Sie kann fliehen und trifft
auf einen Mann, der sich als Frau kleidet - nach einem schaumgeborenen Auftritt
heraus aus sonnengleißendem Wasser an Land legt er sich einen BH um
- und, wie er sagt, fühlt. Ihre Wege trennen sich gleich wieder, darauf
wird die junge Frau von drei Männern vergewaltigt. Sie findet zurück
zum Transvestiten, verkleidet sich als junger Mann mit Schnurrbart, als
Außenseiter ziehen sie, Stücke vorführend (eines etwa mit
einer Prostituierten und einem Polizisten, das politische Bigotterie kritisiert),
durchs Land. Als die junge Frau zu ihrer Familie zurückkehren will,
wird sie vom Vater als Hure beschimpft und endgültig verstoßen.
Der Transvestit und die junge Frau gestehen einander ihre Liebe, er wird,
für sie, wieder zum Mann; das Glück jedoch währt nicht lange.
Diese Geschichte erzählt der Film. Ein bitteres Sozialdrama,
sollte man meinen. Der Regisseur Amol Palekar aber war, als Schauspieler,
ein Star des Bollywood-Kinos und kennt dessen Register. Ja, er bedient sich
gar bei dessen Stilmitteln, zitierend, parodierend, denunzierend. Es gibt
Song-and-Dance-Einlagen, die Musik ist so populär wie
sie sein sollte, der Schock sitzt umso tiefer: die erste Einlage
ist eine Parallelmontage, in der der sein Schicksal (als Frau im
Männerkörper) in poetischen Worten beklagende Transvestit gegen
die brutale Vergewaltigungsszene geschnitten wird. Zu melancholischer Musik.
Palekar parasitiert Bollywood, auf so effektive wie bösartige
Weise. Das Niveau der Unwahrscheinlichkeiten ist so atemberaubend, wie es
sich gehört, die Nebendarsteller agieren outriert - die Zurückhaltung
der Hauptdarsteller sticht dagegen deutlich ab: hier wird es, immer wieder,
Ernst. Doch noch die Gender-Maskerade der fremden Körper wäre,
als Verwechslungskomödien-Versatzstück, im populären indischen
Film kein Fremdkörper. Palekar aber nutzt es, um, halb ernst, halb bitter
komödiantisch, Plädoyers für liberale Geschlechter- und
Gesellschaftsverhältnisse mit dem keineswegs oberflächlichen Anschluss
an die einschlägigen Gender-Diskurse zu verbinden. Verblüffend
ist, dass er das unterhaltsam tut. Die Affektmaschine Bollywood funktioniert
auch dann, wenn man sie mit Dingen füttert, an denen sich das System
als System sofort verschlucken müsste. "The Square Circle" entwirft
keine Ästhetik der Unterbrechung oder des Widerspruchs, sondern praktiziert
Subversion durchs Pastiche.
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