Dass weniger mehr sein kann, und über die längere Strecke
eines Spielfilms fast immer auch ist, gehört zu den Lektionen, die die
ehemaligen Videoclip-Filmer des Kinos vielleicht nie lernen werden. Dass
aber zuviel gelegentlich gar nicht so wenig ist, im richtigen Genre und im
bewussten Verzicht auf das, was ein Weniger an Effekten, Kamera-Albernheiten
und grotesken Pointen an Subtilitätsgewinn bedeutete, das belegt
Higushinskis überdrehte Horrorfarce Uzumaki.
Es ist nicht so, dass er irgendetwas auslässt: schräg gelegte
Kamerablicke, Fahrten und Schwenks auch da, wo sie einfach nichts zu tun
haben. Uzumaki ist ein Film, der in erster Linie Spaß hat am eigenen
Können, an den eigenen Effekten, der weder seine Figuren noch seine
Horror-Geschichte Ernst nehmen will. Aber dafür gibt es gute Gründe:
die Vorlage ist ein - offensichtlich gleichfalls recht überbordender
- Manga und die Geschichte ist ohnehin lächerlich: eine mysteriöse
Krankheit breitet sich in einer kleinen, seltsam zeitlosen japanischen Stadt
aus, eine Spiralen-Obsession. Befallen von ihr wird Toshio, der Vater von
Shuichi, dessen Freundschaft und/oder Liebe zu Kirie den sozusagen humanen
Scheinkern des Films ausmacht. An der Darstellung von Figurenpsychologie
im herkömmlichen Sinne hat Uzumaki eigentlich aber kein Interesse, der
Wahnsinn, die Obsession, die Furcht sind nur behauptet und gerade recht kommender
Vorwand für den Einsatz von Special Effects, zu denen auch die auftretenden
Figuren werden. Shuichi, priesterlich gekleidet, die naive und furchtsame
Kirie sind keine Charaktere, deren Entwicklung interessiert, sondern Material,
an dem der Fortgang der Spiralisierung seinen Schauplatz finden kann. Freilich
gelingt es bei solchem Umgang mit den Figuren gerade nicht, Affekte (Furcht,
Mitgefühl) zu binden oder überhaupt nur hervorzurufen. Was ihnen
widerfährt, ist einem folglich herzlich egal.
Bleiben also immer noch die Effekte, das Sounddesign und die Optik.
Und da erwischt einen Higushinski immer wieder: die Spirale, die gelegentlich
als halb ironischer, halb rührend unbeholfener CGI-Effekt die Figuren
verfolgend durchs Bild trudelt, geht zunehmend unter die Haut, gräbt
sich, mit malmender und knirschender Unterstützung der Tonspur, ins
Fleisch. Man sieht hervorpoppende Augen, die einen Spiralentanz aufführen,
man sieht grauenhaft verdrehte Körper, Ausbeulungen, als solle ein neues
Alien geboren werden. Geschockt wenigstens ist man immer wieder, für
den Moment, gelegentlich reicht es bis zum nächsten Schock, gelegentlich
wird's zwischendrin aber auch wieder langweilig. Wie etwa Jeunet/Caros
Delicatessen, an den man immer wieder denken muss, ist Uzumaki ein
gänzlich synthetischer Film, der weder Realismus noch Psychologie
prätendiert. Alles was er will, ist der offen stehende Mund des Betrachters,
das glotzende Auge. Man kann nicht leugnen, dass er immer wieder erfolgreich
ist. Ob damit nun viel erreicht ist oder wenig, das bleibt
Geschmacksfrage.
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