"Zatoichi" ist eine Studie in Rhythmus und Diskontinuität. Am
Markantesten in Stich und Schnitt des Schwertes, die hier an die Stelle der
Schläge aus dem Nichts treten, mit denen Kitano den Betrachter in seinen
früheren Gewaltfilmen vor den Kopf gestoßen hat. Das digitale
Rot (und Rot ist es viel eher als Blut) ist Kunstfilmzutat, so unerfreulich,
wie die Schlenker ins allzu Dekorative seit Kitanos Künstlerwerdung,
also circa seit "Hana-Bi" sind. Der Trotz des Kindskopfs Kitano gegen das
Künstlerische findet, nach wie vor, Form im infantilen Scherz und Running
Gag, der Irre hier aus der Nachbarschaft, der immerzu brüllend durchs
Bild rennt, Speer voran. Diese Körperkomikalbernheiten kann man Kitano
natürlich verzeihen, selbst wenn sie immer wieder aus dem Nichts kommen
und nichts bedeuten. Bruchstücke einer großen Konfession, das
Alberne neben dem Erhabenen.
Und Takeshi Kitano, Körperpräsenz, dazwischen. Hier als Neuerfindung
der legendären Kinofigur Zatoichi, des gealterten, blinden Samurai,
dessen Kampfkraft ungebrochen ist. Überhaupt das Ungebrochene: Anders
als mit dem immer schon veralteten Genre alternde Westernhelden ist Zatoichi,
in Kitanos Version, eine Figur ohne Bruch und ohne Psychologie. Er hat nichts
gutzumachen, er brütet, sitzt, schweigt viel, bricht aus. Im Ausbruch
Zaitoichis findet der Film zum eigenen Rhythmus in der Diskontinuität.
Lange Passagen, in denen wenig geschieht. Es wird gewürfelt, gespielt,
getrunken. Synthesizerorgelmusik, die getragene Stimmung macht. Dann der
Ausbruch. Man sieht nichts, man sieht wenig. Der Schnitt wird geschehen sein:
dann fließt das Blut, dann fliegen die Glieder. Die Schnitte selbst
haben keine Materialität, sind zum großen Teil auf die Tonspur
verlagert zum einen, auf den Effekt zum anderen. Der Effekt: die Sichtbarkeit
des Ergebnisses, der zerteilte Schwertgriff. Der Bruch aber, als der Moment,
der den Effekt hervorbringt, flieht aus dem Bild. Auf diese Kernmomente
läuft Zatoichi, läuft vielleicht das ganze Kino von Takeshi Kitano
hinaus. Das Unbewegte, das Zerstörte, dazwischen als Beinahe-Ellipse:
die Tat. Der Schlag, der Schnitt. Blitz, Donner untermalen das einmal: das
ist konsequent, aber auch redundant.
Noch überflüssiger aber, dass Kitano hier ein Haus baut, einen
Plot, durch den er tapert als Fremdkörper. Und eine Rachegeschichte
erfindet und dieser Rachegeschichte einen Transvestiten dazu. Die Bestandteile
dieses Plots poltern gegeneinander. Das wäre in Ordnung, aber dass zu
einem Ende erzählt werden soll und zu einem Ende erzählt wird,
da fragt man sich schon: Warum eigentlich? Die vermittelnde Narration
widerspricht der Lust Kitanos am diskontinuierlichen Wechselstrom aus Harren
und Schnitt, sie nimmt der Spannung zwischen dem einen und dem anderen viel
Kraft. Bezaubernd, wie stets noch, das was, hier sehr buchstäblich,
abseits des Weges geschieht (Weg ist Plot): ein früher Tanz auf dem
Feld, synkopisch zwischen Musik und Bewegung und ein weiterer, Tanz, bizarrer
noch, wieder auf dem Feld, im Regen, die Tanzenden im Fellgewand. Und,
natürlich, der Ausbruch ins Bollywoodeske am Ende, der enthusiastische
Tanz, als Abschluss, als Feier, als Auflösung in rhythmisch
zäsurierte, aber gemeinsame Bewegung. Triumph über das Uneinheitliche.
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