Family Business
An Thanksgiving kehrt Hollywood zur Normalität zurück -
mit einer Kombi aus Familienwerten, Klatsch und Tratsch. Außerdem:
Warum "Harry Potter" nur auf dem Papier alle Rekorde bricht, und wieso Will
Smith im Regen steht.
Im Oktober schwelgte die 20th Century Fox in rot-weiß-blauem
Patriotismus: Ein riesiges Plakat am Studio-Haupteingang zeigte zwei
Feuerwehrmänner, die im Schutt des eingestürzten World Trade Centers
eine US-Flagge errichteten. Anfang November wurde das Plakat ersetzt. Nun
wird an derselben Stelle "Shallow Hal" beworben, die neue Ekel-Comedy der
nicht gerade für ihre Subtilität bekannten Farelly-Brüder
("Verrückt nach Mary"). In Deutschland kommt der Film mit Gwyneth Paltrow
und Jack Black unter dem Titel "Schwer verliebt" im Februar in die
Kinos.
Endlich: Hollywood kehrt zur Normalität zurück! Zwar spielen
viele Kinos vor dem Hauptfilm immer noch "America the Beautiful" in einer
kitschig-weinerlichen Fassung, die bei so manchem Europäer Brechreiz
provoziert. Zum Ausgleich dafür präsentiert sich nun wieder die
Klatschpresse in alter Form. Vorerst werden bekannte Themen aufgewärmt:
Zum Beispiel Russell Crowe und Courtney Love, die nach der
Golden-Globe-Verleihung eine Nacht gemeinsam im Hotelzimmer verbrachten (No
Sex! "Wir haben uns Gedichte vorgelesen und zusammen geweint"). Jaja, wer's
glaubt. Oder die Scheidungsübereinkunft von Tom Cruise und Nicole Kidman
("Weihnachten feiern wir mit unseren Kindern in Australien"), George Clooneys
Rückkehr in die Arme von Ex-Freundin Lisa Snowdon ("Wir verstehen uns
immer noch glänzend") und Hugh Grants fürsorglicher Beistand für
Liz Hurley und ihr frisch gebackenes Baby ("Hugh hat mich ganz doll
unterstützt").
"Nur mit meiner Ehefrau!"
Ganz herzig, wie sich auf einmal alle wieder gut vertragen - "Family
Values" und Truthähne stehen zu Thanksgiving hoch im Kurs. Inzwischen
suchen viele Hollywood-Familien auch beruflich nach Gemeinsamkeiten. Etwa
das Ehepaar Ben Stiller und Christine Taylor, die in Stillers neuer Komödie
"Zoolander" (D-Start: 27.12.01) gemeinsam vor der Kamera standen. Mit
durchschlagendem Erfolg - schon ist das erste Baby unterwegs! Auch Kirk und
Michael Douglas haben nach langer Suche endlich ein geeignetes
Vater-und-Sohn-Projekt gefunden: "Smack the Puss", eine schwarze Komödie
über eine zerrüttete Familie. Wenn das nicht passt! Michaels Sohn
Cameron (23) ist wahrscheinlich ebenfalls dabei, Regie soll Fred Schepisi
("Das Russland Haus") führen.
Sigourney Weaver ("Alien") spielt inzwischen in New York Theater,
und zwar für ihren Mann Jim Simpson, dessen Flea Theater Company direkt
im Schatten von Ground Zero liegt. Unter Simpsons Regie probt Weaver derzeit
an der Seite von Bill Murray den Einakter "Guys", der sich mit den Folgen
der Anschläge vom 11. September auseinandersetzt. Premiere ist am 11.
Dezember.
In "Chelsea Walls", Ethan Hawkes erster Regiearbeit, spielt - na klar
- auch seine Gattin Uma Thurman mit. Zuvor standen die beiden schon in Richard
Linklaters "Tape", einem Drama über alte High-School-Freunde, gemeinsam
vor der Kamera. Auch Superstar Will Smith wollte in seinem neuen Film mit
keiner anderen als der ihm angetrauten Jada Pinkett in die Betten hüpfen.
Die Liebesszenen sollten eben ganz authentisch wirken. Smith spielt die
Boxlegende Mohammed Ali, und das rigorose Training für die Rolle (Regie:
Michael Mann) machte den Superstar auch sexuell zum Champion: "Ich bin
menschliches Viagra", prahlte der Schauspieler ob seiner neu hinzugewonnenen
Manneskraft. Echtes Willagra sozusagen - als "Ali" demnächst auch in
Ihrem Kino.
Mit Smiths Bescheidenheit ist es also vorbei, Kurioses geistert durch
die gelben Blätter: Er könne sich gut vorstellen, sich zum
Präsidenten der Vereinigten Staaten wählen zu lassen, sei durch
die Beschäftigung mit "Ali" mittlerweile dem Islam verfallen und
überlege nun sogar, zu konvertieren. Smith hat sich außerdem ein
Anwesen in Mozambique gekauft, wo er und Jada künftig leben wollen.
Ein paar besonders üble Starallüren wird er dort allerdings ablegen
müssen. So habe Smith sich bei den "Ali"-Dreharbeiten für die Szenen
mit künstlichem Regen nicht mit normalem Leitungswasser berieseln lassen
wollen. Die Crew habe statt dessen fässerweise Mineralwasser
herbeigeschafft.
Harry Potters Pyrrhussieg
"Tonight Show"-Gastgeber Jay Leno will demnächst, wie einst Bob
Hope, die Truppen in der Ferne unterhalten. Dagegen zog es John Travolta
an die Heimatfront: Er besuchte die Aufräumkräfte am Ground Zero
- was, wie er uns am Montag sagte, in einer wahre Autogrammorgie geendet
habe.
Schön für Travolta und die Heimatfront. Hollywoods eigentlicher
Krieg wird derzeit jedoch an den Kinokassen ausgetragen. Es geht natürlich
um den Megastreifen "Harry Potter und der Stein der Weisen", der in den USA
nach nur drei Tagen 90,3 Millionen Dollar Umsatz machte. Wow, neuer
Weltrekord!
Von wegen. "Harry Potter" (Deutschlandstart in dieser Woche) hat lediglich
einen Pyrrhussieg errungen, denn die Vergleichszahlen sind nicht vergleichbar.
Sie dienen ohnehin nur Propagandazwecken. Zwar nahm der bisherige Rekordhalter
"Vergessene Welt: Jurassic Park" 1997 innerhalb von drei Tagen tatsächlich
100 000 Dollar weniger ein als "Harry Potter" - doch damals waren Kinokarten
um durchschnittlich 17 Prozent billiger! "Harry Potter" ist zudem auf 8200
Leinwänden gleichzeitig angelaufen. Zum Vergleich: "Star Wars: Episode
1" war 1999 nur auf 5000 Leinwänden präsent und hätte damit
selbst bei Vollauslastung schon rein rechnerisch in drei Tagen nicht so viel
Umsatz machen können wie der junge Zauberlehrling.
Die Massenstarts der jüngsten Zeit haben freilich Methode - vor
allem teure Filme müssen in Amerika bereits am ersten Wochenende
mächtig Kasse machen. Am Anfang landen nämlich rund 70 Prozent
der Einnahmen beim Studio und nur 30 Prozent beim aufführenden Kino.
In den darauf folgenden Wochen kehrt sich dieses Verhältnis zu Gunsten
der Kinobetreiber um.
Den Publikumserfolg allein in Dollars auszudrücken, macht also
wenig Sinn, wird aber trotzdem ständig praktiziert. Aussagekräftiger
sind die Besucherzahlen, die in Deutschland jeden Tag von jedem Filmtheater
neu gemeldet werden. Doch fair geht es auch dabei nicht in allen Fällen
zu. "Der Schuh des Manitu" etwa wurde unlängst mit über zehn Millionen
Zuschauern zum erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten gekürt, nachdem
"Otto - der Film" 1985 nur knapp 8,8 Millionen in die Kinos lockte. Eine
Milchmädchenrechnung! Denn "Ottos" Zahlen waren seinerzeit
naturgemäß auf Westdeutschland beschränkt. Zieht man bei
"Manitu" den Ostbesucheranteil ab, ist "Otto" nach wie vor die Nummer
eins.
Rico
Pfirstinger
copyright Rico Pfirstinger 2001
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