Gleich zu Beginn eröffnet A.I. zwei Schauplätze,
von denen einer, wie dann manch weiterer im folgenden Film, komplett
überflüssig ist (was in keinem Fall heißt, dass sie uninteressant
wären). Dieser eine führt, via Expertendiskussion mit dem Leiter
der Androidenschmiede Cybertronics, über-didaktisch ins Problem
künstlicher Emotion ein, das gerade darin besteht, dass sie von echter
kaum mehr zu unterscheiden sein wird. Der zweite Schauplatz bietet die
Durchführung des Motivs - und die ist erst einmal so bezwingend, dass
die ungelenke Didaxe sogleich als verzichtbar deutlich wird. Eine Kleinfamilie
hat ihren Sohn ins Koma verloren, präsentiert wird die Lage durch die
Besuche beim Kind im Glaskasten als Unfähigkeit der Frau, Abschied zu
nehmen. Die Struktur ist die der Melancholie. Also schiebt ihr ihr Mann ein
mechanisches Kinder-Double unter, ein Supplement, das die Trauer verdrängen
soll. Prompt verliebt sich das Mutterherz, lässt sich auf die emotionale
Prägung auch des Jungen ein (das funktioniert ganz offensichtlich wie
bei den Graugänsen). Wenngleich Spielberg hier wie für den Rest
des Films nicht davon lassen kann, noch in die kleinste Fuge seiner Bilder
John-Williams-Streicher hineinzupappen: er entwickelt seine Geschichte mit
Konsequenz, narrativ wie visuell. Geschmeidig folgt die Kamera den Figuren,
setzt David mehrfach ins Innere von Lichtkreisen, unterstreicht so seine
zentrale Position (das wird zum Leitmotiv der David-Einstellungen). Die
Einrichtung ist zart ins Zukünftige verfremdet, aber ebenso warm wie
das leicht gestreute Licht, das durch die Bilder fließt.
Die Supplementierung kann, natürlich, nicht gut gehen, der
echte" Sohn erwacht aus dem Koma, nun sind sie zu zweit und konkurrieren
um die Liebe der Mutter, um das richtigere emotionale Verhalten - interessant
ist, dass die wirklichen Kinder sich vor allem durch ihre Grausamkeit
auszeichnen. Faszinierend zunächst, wie mit dem Auftauchen eines
Zwischenstadiums" zwischen mechanischem Spielzeug und echtem"
Menschenersatz in Gestalt eines Teddys, eine zusätzliche Binnendifferenz
in die Diskussion um echte Künstlichkeit eingezogen wird (später
degeneriert Teddy zum bloßen Buddy). Spielberg scheint jedoch mit der
Kamera eine schnelle Entscheidung treffen zu wollen: das Gesicht von
Mecha" David ist großaufnahmentauglich, also menschlich: Die
Prägung des Zuschauers durch die Grammatik des Filmbilds. Obwohl Osment
ihn in seinem Spiel zunächst brillant auf der Schwelle zwischen
Roboter-Resteigenschaften und reiner Menschlichkeit hält, sind die
Identifikations- Vorentscheidungen des Betrachters zu seinen Gunsten schnell
gefallen. Auf dem Schauplatz Kleinfamilie ist hingegen ebenso rasch klar,
dass der Vater - auf den die Prägung des Jungen nicht übertragen
wird - sich aus dem familialen Dreieck gedrängt fühlt: die Dyade
wird gesprengt, David soll vernichtet werden, die Mutter setzt ihn aus.
Es beginnt eine Queste: Suche nach Erlösung durch Menschwerdung,
Symbol dafür: die blaue Fee, intertextuelles Muster: Pinocchio (David
verkennt sich dabei sozusagen ständig selbst: er ist längst Mensch),
Suche auch nach Wiederherstellung der Mutter-Kind-Dyade. Der Queste
mit ihrer teleologischen Struktur wird das Narrativ der Aventiure unterlegt,
das für Abenteuer an Ort und Stelle, weit gehend gelöst von Ziel
und Zweck der Geschichte sorgt. Das ließe sich zum Bildungsroman"
zusammenaddieren, darauf aber legt es Spielberg nicht an. Sondern auf Episoden.
A.I. goes Indiana Jones, mit starken Kubrick-Einflüssen.
Es gibt die düstere Flesh Fair, ein Gladiatorenvergnügen zynischen
Ausmaßes, bei dem Mechas vor den Augen eines schrottgierigen Publikums
zerstückelt werden. Vieles ist auch hier interessant: das Design der
Mechas etwa, die auf jeden ersten Blick nicht menschlich sind, an denen der
Scheincharakter des Anthropomorphen gerade durch seine Abweichungen und
Ausfälle ausgestellt wird. David fällt, erneut bestandener Test
aufs Humanum, aus diesem Muster und kann, auf Wunsch des durchs zur Zufriedenheit
erfüllte Kindchenschema geprägten Publikums entkommen.
Darauf dann Rouge City, ein Sündenbabel in Erinnerung
ans Metropolis-Yoshiwara, darin findet sich ein weißhaariger
Albert-Einstein-Gott mit dem Namen Mr. Know, um Haaresbreite entkommen David
und der motivisch leider auch reichlich überflüssige Jude-Law-Cyborg.
Die optische Ausmalung ist perfekt, mehr nicht (wenn man so sagen kann).
Weiter geht es in der Aventiure nach Manhattan, überflutet, mit
daraus noch ragenden Hochhaustürmen. Hier setzen nun die Schließungen
ein, die der unterwegs ein wenig auseinander gefallene Film mit einiger
Mühe zu leisten versucht. David begegnet seinem Cybertronic-Vater, trotz
des Bladerunner-Anklangs jedoch bleibt das ohne jede Konsequenz. An dieser
Stelle nun springt die Geschichte mit Hilfe einer großväterlichen
Off-Erzähler-Stimme, die man schon vom Anfang kennt, um 2000 Jahre in
die vereiste Zukunft, in der überaus gutartige Aliens David zur letztlichen
Erlösung verhelfen.
Das Ende, das freilich sehr zwiespältige Gefühle auslöst,
hat eine recht zwingende formale Logik, der
es jedoch auf den zweiten, hinter Spielbergs Präsentation
zurück tretenden Blick, ins Komplexere entkommt. Zwar passt es ins Muster
der Spielberg-Obsession weniger für Happy-Ends per se (darüber
kann man hier getrost streiten: schließlich endet der Film mit
ödipaler Erfüllung als unwiederbringlichem Verlust) sondern
für Schließungen, Abschlüsse, Rundungen, Beseitigung von
Offenheit. So sehr sich das, motivisch, an 2001 anlehnt, als rätselhafte
Nach-Welt, so diametral bleibt es in seiner Schlüssigkeit dem
großen Vorbild doch entgegengesetzt. Die Logik liegt in der symmetrischen
Wiederaufnahme des Anfangs: nun ist David das aus dem Koma (das visuell ganz
analog zu dem des Beginns in Szene gesetzt ist) erwacht, wiederum geht es
um einen Abschied. Das Mutter-Sohn-Verhältnis ist entschieden umgekehrt:
David weiß alles, hält seine Mutter im Schutz einer kindlichen
Unwissenheit. Die Durcharbeitung seiner Trauer geschieht dadurch am
gewissermaßen nicht auf der Höhe des Problems befindlichen Objekt.
Der Schluss ist so - wenigstens: auch - die Allmachts-Phantasie eines Kindes,
das seiner Mutter unendlich überlegen ist. Dies - anders als etwa in
Lem/Tarkowskis Solaris - als gelungene Durcharbeitung der Trauer zu
präsentieren, ist nicht unproblematisch. Andererseits: die
Künstlichkeit des Arrangements lässt sich nicht ganz und gar
verdrängen, der Schein-, ja der Fiktions-Charakter der Vereinigung
und Versöhnung drängt sich auf. Spielberg jedoch, das ist
die letzte Zwiespältigkeit des Films, versucht mit seinen Bildern unter
dieser latenten Offensichtlichkeit durchzutauchen: zunächst sind die
Aufnahmen aus der wieder erstandenen Wohnung noch ganz video-fehlfarben,
Eintrag des Irrealen in die Abbildung, unmerklich aber normalisiert Spielberg
sie, schließt so den Riss in der Wirklichkeit. Als
dürften wir glauben, was wir sehen. Als sei die Erlösung
möglich.
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