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Black Box BRD
D 2001
Regie: Andres Veiel
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Andres Veiel: Black Box BRD
(D 2001) .
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KRITIK
Andres Veiel setzt mit Black Box BRD sein Porträt der
Bundesrepublik am Leitfaden ihrer Toten fort. In Die Überlebenden
verfolgte er die Schicksale dreier Klassenkameraden, die ihrem Leben selbst
ein Ende setzten und leuchtete dabei, wie nebenbei, das Aufwachsen und das
Leben in der deutschen Provinz der 70er Jahre mit einer Gnadenlosigkeit aus,
die sich dem Verzicht auf jeden polemischen Furor verdankte. Die Wut, die
entstand, war ganz den abgeschilderten Verhältnissen und Personen
geschuldet. Wut hingegen gehört zu den Gefühlen, die Black Box
BRD, durchaus erstaunlicherweise, zuallerletzt erzeugt. Das Doppelporträt
des Bankiers Alfred Herrhausen und des Terroristen Wolfgang Grams kennt keine
Lösungen, keine Vorwürfe, keinen Hass: es will nur verstehen, aber
dieses Verstehen bedeutet in erster Linie Zu-Wort-kommen-Lassen von Freunden
(von denen Grams offenbar viel mehr hatte als Herrhausen), von Herrhausens
Ehefrau, von Kollegen. Wäre es nicht das reine unsinnige Begriffsklischee,
müsste man sagen: worum es geht, ist der Mensch Herrhausen, ist der
Mensch Grams. An diese Annäherung an das (oder Konstruktion des)
Menschliche(n)" der beiden Porträtierten sollen sich, so die Absicht
des Filmemachers Veiel, Zeitkolorit, Denkweisen, Einsichten in Haltungen,
die zu Handlungen wurden, anlagern.
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Tatsächlich gelingt das. Man erfährt sehr viel über
die Bundesrepublik, ganz unauffällig manchmal, an den Rändern.
Und ohne dass der Film je einseitig Position bezieht oder auch nur die Sympathien
zu lenken versucht, fordert er - oder eher: fordert das, was man sieht und
hört - doch zur Stellungnahme (und sei es der Affekte) auf. Nicht
zuletzt macht einem Black Box BRD klar, wo man selbst steht, wie man selbst
denkt über diesen gerade erst in Vergangenheit übergehenden Teil
der Gegenwart. Klug verzichtet der Film auf jedes Urteil, überlässt
es dem Betrachter, der sich - für die meisten gilt das wohl noch - mit
der Erinnerung an seine eigene Zeitzeugenschaft konfrontiert sieht, mit der
Geschichte, heißt das auch, der eigenen Urteile und einst bezogenen
Positionen. Die Reaktion auf diesen Film kann daher nicht neutral sein: kaum
einer war, entlang des ganzen Spektrums möglicher Stellungnahmen,
unbeteiligt. Was man sieht, ist der Stoff, aus dem die Gesellschaft ist,
aus dem ihre - und damit unsere - inneren Konflikte sind.
Aus einer anderen Welt, und zu gleichen Teilen lächerlich und
entsetzlich, scheint einem eigentlich nur Herrhausens Schwester zu stammen,
mitsamt Hirschgeweihen im Hintergrund, die sehr klar macht, welchem
nationalkonservativen, elite- und aufstiegsgeilen Milieu der Bankier entstammte.
Dagegen die Eltern von Wolfgang Grams, die geradezu verzweifelt nach etwas
suchen, das ihnen - wie ein um das andere Mal handgreiflich wird - nur begrenzt
möglich ist: Verständnis für ihren Sohn. Am Vater, dem es
bei seinem Versuch, zu erklären, warum er sich einst freiwillig zur
Waffen-SS meldete, nicht nur gute Gründe, sondern gleich die Sprache
verschlägt, dem dabei als letzte körperliche Ausflucht die Schulter
in ein fast endloses Zucken gerät, wird, ganz schlagartig, deutlich,
wie schwer es sein kann, die zu hassen, deren Handeln verächtlich war.
Das ist dann, umgekehrt, genau der Punkt, an dem, wie einer der einstigen
Weggefährten von Wolfgang Grams ausführt, der Rubikon zum Terrorismus
überquert wird: so sehr vom konkreten Menschen absehen können,
so viel Hass auf ihn projizieren, dass man ihn mit eigenen Händen
töten kann. Erstaunlich, wie viele von Grams' Freunden ihre
Unfähigkeit dazu bis heute beinahe als Schwäche betrachten. Die
Fähigkeit zur Abstraktion aber vom konkreten Menschen spiegelt sich
geradezu unheimlich - und augenscheinlich ohne jede Zurichtung des Materials
- in den obszönen Worten von Hilmar Peanuts" Kopper, der Alfred
Herrhausens Wandlung zum Paulus des Schuldenerlasses als typische
intellektuelle Bemerkung" abtut; Herrhausen habe dabei eines übersehen:
das Schicksal der Bank, um deren Überleben es gehe. Zwischen alle Kategorien
von Selbstentlarvung, Analyse, inhaltsleerem Managergefasel und nicht
zuordenbarer Rollenprosa fällt dagegen der Deutschbanker Fischer - dessen
Worte auch deutlich machen, welche Umwege die Gemengelage zwischen Faszination
und Kritik mancherorts nehmen muss, um dann doch nicht weit übers Verquaste
hinauszugelangen.
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Dass der entschiedene Wille zur Radikalität nicht nur
bei Grams, sondern auch bei Herrhausen vorhanden war, zeigt sich, als Traudl
Herrhausen einen Brief ihres Mannes vorliest, den er für den Fall einer
Entführung geschrieben hat. Er insistiert darauf, im Ernstfall keiner
Forderung der Kidnapper nachzugeben. Der Entschluss zum Äußersten,
aus Staatsräson hier, aus einer angemaßten Kämpferrolle für
die Entrechteten dort. Nur auf der Seite von Wolfgang Grams dagegen fächert
sich das Porträt im Zeugenaufruf der Freunde in ein Kaleidoskop alternativer
Lebensläufe auf: vom resignierten Gartenlauben-Revolutionär über
die Aussteiger auf dem Bauernhof bis zu den in Dokumentarbildern auftretenden
Joschka Fischer und Otto Schily ist - mit Ausnahme der Rechtskonversion à
la Mahler - das vollständige Spektrum linker Lebensläufe
nach 68 wenigstens angedeutet. Auf der anderen Seite entwickelt der Film
wie von selbst eine interessante Topografie: in der immer wieder umkreisten
Doppelturm-Zentrale der Macht ungelenke Erinnerung, die Unfähigkeit,
außerhalb der in Hirn und Blut übergegangenen Klischees zu
fühlen, zu formulieren und zu denken. Auf der anderen Seite derselben
Medaille ein früherer Freund Herrhausens in einem Nachtclub, der sich
an entspannte Abende in Damenbegleitung erinnert. Dazwischen Traudl Herrhausen
in ihrer Villa, der die Worte nicht vorgefertigt von den Lippen kommen, die
ebenso wie die Eltern von Wolfgang Grams trauert und erinnert und begreiflich
macht, dass man damit nicht irgendwann fertig ist und aufhören kann.
Das führt einem Andres Veiels Film vor Augen, so, dass es einen unmittelbar
angeht, aber, eben, ohne große
Worte.
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