Ein heruntergewirtschaftetes Dorf auf einer gottverlassenen Insel.
Zwei Jungs, allein, die wir kennenlernen, als ihre Mutter nach Jahren
zurückkehrt, mit dabei eine junge Frau, die sie den Kindern als Schwester
vorstellt. Rekonfiguration einer dysfunktionalen Familie, die ganze Wahrheit
ist es nicht und die Mutter verschwindet sogleich wieder. Das Setting erinnert
an die Kindheitsfilme von Hou Hsiao-hsien, der Ton aber so wenig wie der
Blick auf diese Welt. Sakamoto nämlich nimmt das Dorf, die Kinder, die
anderen Bewohner immer nur zum Anlass: statt subtilen Humors gibt es
schräge Scherze und statt auf die distanzierte Beobachtung von
Gefühlen setzt er auf Kindergesichter in Großaufnahme,
Klaviergeklimper im Hintergrund.
Das Episodische seines Erzählens ist nicht Verzicht auf Dramaturgie,
sondern dient der Reihung von voneinander abgekoppelten Szenen, denen
Skurrilität abgepresst wird. Skurril auch das Personal, das durchs Bild
läuft, mehr nicht. Eine alte irre Lady mit einer Menge Katzen, bei deren
Beerdigung aus dem Nichts eine Unzahl Kinder und Schwiegerkinder auftauchen
und tanzen. Typisch wieder der Blick auf den Tanz: keinerlei Interesse am
Ritual in seiner Seltsamkeit, nur an der Seltsamkeit, als die es dargestellt
wird. Dann eine junge Frau vor dem chinesischen Restaurant, stumm, immerzu
ihr Haar bearbeitend. Ein Mann mit seinen Kindern, erbärmlich in einem
von einer Plastikplane notdürftig gedeckten Gewächshaus lebend,
wird nur gebraucht, um für die eine oder andere Pointe ausgenutzt zu
werden. Drangeklatscht ein Schmetterling: das Schöne im Ärmlichen,
von einem Klischee fällt der Film ins andere.
Erzählen will Bokunchi eigentlich von Beziehungen: Zwischen Itta,
dem größeren Jungen, und dem Kleinkriminellen, dem er sich andient.
Zwischen Nita und seiner Schwester, die ihr Geld im Bordell verdient hat
und wieder verdient. Und zwischen Mutter und Tochter, die am Ende zueinander
finden, indem sie die beiden Jungs aufgeben. Das alles bleibt bloße
Behauptung, weil der Film selbst beziehungsunfähig ist. Er giert nach
Pointen und verschenkt an sie seine Figuren. Alle Gefühle sind so aus
zweiter Hand, abgepresst der abgedroschenen filmsprachlichen Grammatik, dem
abgeschmacktesten Zueinander von Bild und Ton. Sakamoto strebt, scheint es,
nach dem Bittersüßen der Filme Kaurismäkis, ohne im mindesten
zu verstehen, dass die Poesie und die Pointen sich aus der Liebe und der
Genauigkeit ergeben, mit denen Kaurismäki die Menschen beobachtet und
ihre Welt. In Bokunchi regiert von Anfang an die Drolligkeit. Das ist ein
Problem der Form im engsten Sinne. Die Bilder, die Gefühle, die Figuren,
alles ist hier falsch.
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