Heiteres Beruferaten mit Leo
In der Kunst der Täuschung übt sich Leonardo DiCaprio in
Steven Spielbergs "Catch me if you can".
"Come fly with me", singt Frank Sinatra in dem meisterhaft im
60er-Jahre-Look gehaltenen Film. Frank W. Abagnale (DiCaprio), gerade mal
16 Jahre alt und nach der Trennung der Eltern aus der Bahn geraten, nimmt
die Aufforderung zum Fliegen wörtlich. In einer ergaunerten Uniform,
ähnlich dem Hauptmann von Köpenick, reist er als Pilot
durch die Vereinigten Staaten. Er verschafft sich mit diesem Auftritt Respekt
und mit gefälschten Schecks etliche Millionen, die man ihm landesweit
an den Schaltern der Banken auf Grund seines seriösen Outfits - und
charmanter Überzeugungskünste bei den weiblichen Angestellten -
auszahlt. Wer als Pilot reüssiert, geht auch als Lehrer, Arzt und Anwalt
durch. So schwindelte sich der jugendliche Delinquent ohne Ausbildung von
1964 bis 1969 in gesellschaftlich angesehenen Berufen durchs Land der
unbegrenzten Möglichkeiten.
Eine wahre Geschichte, die Frank Abagnale 1980 als Autobiografie
veröffentlichte. Da war er bereits wieder aus dem Knast raus, in den
ihn FBI-Agent Carl Hanratty - im Film verkörpert von Tom Hanks - nach
einem fünf Jahre andauernden Katz-und-Maus-Spiel verfrachtete. Abagnales
kriminelle Energie wurde von der Bundesbehörde so geschätzt, dass
sie ihn für die eigenen Reihen zwangsverpflichteten. Der Trickbetrüger
wurde vorzeitig aus der Haft entlassen, um den Rest seiner Strafe beim FBI
abzuarbeiten.
"Titanic"-Held DiCaprio verkörpert den Teenager, der die Kunst
der Irreführung wie kein zweiter beherrscht, mit Nonchalance. Vom
16-jährigen pausbäckigen Spund entwickelt er sich nach der Scheidung
der Eltern zum ausgebufften Ganoven, der vor dem Spiegel den überzeugenden
Auftritt probt. Chamäleonartig wandelt er sich vom Pan-Am-Piloten zum
Arzt, der den medizinischen Fachjargon anhand von Fernsehserien trainiert.
Als er den Vater (Martin Sheen) seiner zukünftigen Frau kennen lernt,
findet er Gefallen an einem neuen Berufsstand: Als Anwalt tritt er in die
Kanzlei des Schwiegervaters ein.
Wie Woody Allen in "Zelig", Robert Redford und Paul Newman in "Der
Clou" oder die Panzerknacker in "Oceans Eleven" unterläuft Leonardo
DiCaprio in "Catch me if you can" den amerikanischen Traum vom ehrbaren Aufstieg.
Warum durch harte Arbeit vom Tellerwäscher zum Millionär werden,
wenn es durch Betrügereien viel schneller geht? 2,5 Millionen Dollar
erschwindelt Frank im Laufe seiner "Karriere". Und wie bei den genannten
Analogien liegt die Sympathie des Zuschauers in der Gaunerkomödie eindeutig
auf der Seite des charmanten Betrügers.
Aber wir befinden uns in einem Film des dreifachen
Oscar-Preisträgers Steven Spielberg, der die Werte des bürgerlichen
Familienglücks hoch schätzt. Das hat er in seinen letzten Produktionen
("A. I. - Künstliche
Intelligenz" und "Minority
Report") mit kaum zu übersehender Penetranz ins Bild gerückt
(erinnert sei an den dicken Bauch der schwangeren Frau von Darsteller Tom
Cruise in der letzten Einstellung, der auch gutmütige Rezensenten zum
Kotzen brachte). Daher wurde aus der amüsanten, poppig kolorierten
Kriminalkomödie auch eine melodramatische Familiengeschichte.
Frank scheffelt die Millionen nicht nur zum persönlichen
Wohlbefinden, sondern sieht die Dollar auch als Mittel zum Zweck: zur
Versöhnung des finanziell ruinierten Vaters (Christopher Walken) mit
seiner materiell anspruchsvollen Frau (Nathalie Baye). Die Realität
ignoriert der harmoniesüchtige Sohn dabei: Die Mutter ist bereits zum
zweiten Mal verheiratet und zelebriert ihr neues Eheglück mit Mann und
Tochter im Bilderbuch-Heim.
Über das Filmplakat zum farbenfrohen Slapstick-Movie huschen
zwei Gestalten: DiCaprio und sein ewiger Verfolger, der humorlose Workaholic
Tom Hanks, dessen einziges Ziel der "Fang" des Teenagers wird. Beim ersten
Treffen führt Abagnale den Beamten dermaßen an der Nase herum,
dass die Verbrecherjagd zum persönlichen Rachefeldzug des
bloßgestellten Bürokraten wird. Für Frank wiederum entwickelt
sich Carl zum Bezugspunkt in einem unsteten Leben, dessen ständiger
Balanceakt im Grenzbereich der Legalität ihn sozial isoliert. Am Ende
weist vieles darauf hin, dass ein überforderter Teenager in seinem
Schattendasein auf Erlösung hofft. Zu viele Hinweise streut er, die
ihn in die Hände der Polizei spielen. Wenn er dann, nach einigen Jahren
Gefängnis, als Mitarbeiter des FBIs auf den mausgrauen Korridoren herum
läuft, kaum zu unterscheiden von den ebenso mausgrauen Kollegen, weiß
man als Zuschauer nicht, ob Steven Spielberg sich eine besonders zynische
Variante der Bestrafung ausgedacht hat oder ob diese Facette aus der
Autobiografie Abagnales einfach authentisch nacherzählt wurde.
Wie auch immer, als Beobachter im sicheren Kinosessel verlässt
man das Lichtspieltheater mit verschmitztem Grinsen und Sympathie für
einen Outlaw, der die (Polizei-)Puppen stilvoll zum Tanzen brachte.
zur Jump Cut Startseite
|