Steven Spielberg: Minority Report (USA 2002)

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Steven Spielberg: Minority Report (USA 2002)

Regie: Steven Spielberg - Darsteller: Tom Cruise, Colin Farrell, Samantha Morton, Max von Sydow, Kathryn Morris, Tim Blake Nelson, Peter Stormare, Lois Smith, Steve Harris, Neal McDonough, Patrick Kilpatrick

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Steven Spielberg: Minority Report (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

  [Image]

Amerikas sich selbst verbrieftes Recht auf den "pursuit of happiness" und die griechische Tragödie passen zusammen wie Steven Spielberg und Philip K. Dick: gar nicht. Blind ist die Naivität des amerikanischen Glaubens an die Machbarkeit des Glücks für die waltenden Mächte des Politischen und der Gesellschaft; als blind beschreibt die griechische Tragödie das Walten des Schicksals, als unauflösbar die Konflikte, träten nicht, zum Ende hin, Götter auf in ihren Maschinen. Dick, der so wirr wie genial manches zusammen und durcheinander dachte, das zuvor voneinander nicht zu träumen wagte, hat den tragischen Blick auf die Welt zeitgemäß und durchaus amerikanisch überführt in die Paranoia. Seine Helden sind keine Griechen und mithin auch keine Helden, aus dem dunklen Himmel steigen nur noch falsche Götter (nur, zum Ende - Valis - hin, womöglich, auf tausenden Seiten hat er darüber gerechtet, der wahre), nichts bürgt mehr dafür, dass die Dinge sind, was sie scheinen, ein großer Täuschergott straft die Menschen, die nicht wissen, wie ihnen geschieht.

Minority Report, die Kurzgeschichte, ist Dicks Variante von König Ödipus: er schickt darin das Orakel-Paradox so lange durch seine eigenen Schleifen, bis sich die Möglichkeit der zuverlässigen Vorhersage ins Nichts auflöst. Spielberg nun und seine Autoren biegen, wo sie können, Dick um in den blinden Glauben ans Humane und streuen, da es nun nicht mehr schadet, ein wenig wohlfeile Gesellschaftskritik darüber. Grandios sind die ersten zwanzig Minuten, auch ganz Dick-gemäß, der - mit nichts leidend als der leidenden Kreatur - die drei Precogs mit ihren Visionen von zukünftig geschehenden Morden in jenen immobilisierten Halbschlafzustand versenkt, der als schlimmster Alptraum totaler Auslieferung und Ohnmacht sein Werk durchzieht. Die Precogs sind nichts als Auge; was sie sehen, sind nichts als grauenhafte Zukünfte. John Anderton, der Precop, ist zunächst nicht mehr als eingreifender Arm zum Auge, ausführendes Organ der Zukunftspolizei, die das, was geschähe, griffe sie nicht ein, zur Maßgabe ihres Handelns macht und so das als erst noch Geschehendes Gesehene ungeschehen macht. Aber niemals ungesehen: das ist das Elend der Precogs - und zugleich, die Seher sind auch die traumatisierten Archivare ihrer Visionen, die Chance, dem Trug, der als Whodunit-Struktur aus dem düsteren SciFi-Szenario heraus ans Licht treten wird, auf die Spur zu kommen.

Zu Ödipus wird Anderton, als ihm das Precog-Orakel prophezeit, er werde selbst zum Mörder werden. Den Weg, der zur Tat führt, zeichnet es so selbst vor. Anderton/Ödipus nähert sich dem Unausweichlichen im Versuch, es zu verhindern. Hier bricht der Film aus seiner Bahn, Anderton ist auf der Flucht, die Spielberg als allegorisches Stationendrama mit Spektakeleinlagen beschreibt (wie schon in A.I.): es kommt zur Begegnung mit der Schöpfermutter der Precogs, die als verschrobene Paradiesesgärtnerin vorgestellt wird inmitten bedrohlich wuchernder und schlingender Natur. Sie gibt ihm, Sphinx jetzt und nicht Orakel, die Aufgabe, die er zu bestehen hat: Agatha, den weiblichen Precog, entführen. Zuvor schon, schöner amerikanischer Optimismus, hat Anderton sich ein neues Set Augen besorgt, unter bizarren Umständen, ein Humor hat hier Auftritte, der aus Brazil entlaufen scheint wie das eine oder andere Detail der Zukunft - nicht aber die Gesellschaftskritik: für die Vision allseitiger Überwachung in in sich geschlossenen Konsumwelten haben Gap und Toyota teuer Geld bezahlt. Mit Agatha im Schlepptau konfrontiert sich Anderton seinem Schicksal und das Orakel spricht plötzlich amerikanisch: du kannst, wenn du willst, dein Leben in die eigene Hand nehmen. So geschieht es. Damit ist Dick und auch dem Film das Genick gebrochen, der Rest ist rasantes Whodunit mit logischen Löchern (warum nämlich ist keine Kugel gefallen, die alles offenbart hätte?). Vom Ende ist ohnehin zu schweigen.

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