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Im Kwon-Taek: Chukje/Festival (Korea 1996)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Deutlicher noch als in Gilsotteum wird der dokumentarische Gestus in "Chukje", einem Film, der sich zeitlich den Rahmen einer traditionellen koreanischen Begräbniszeremonie gibt. Schritt für Schritt erklärt er, was geschieht, vom Wattebausch unter der Nase der Leiche, der unbewegt den Tod bezeugt, über das Schneiden der Haare und Nägel, das Einwickeln und Umkleiden bis zu den öffentlichen Trauergesängen und Zeremonien unterschiedlicher Art. So einfach jedoch, so einfach dokumentarisch wie es auf den ersten Blick scheint, geht es gar nicht zu. Markiert wird das schon darin, dass die Tote plötzlich wieder lebt, einen letzten Schnaufer tut, bevor sie wenig später wirklich stirbt und tot ist für immer. Nicht nur sie widersetzt sich dem klaren und eindeutigen Gang der Dinge - und sei es um ein Weniges -, auch die Dokumentation legt Wert eher aufs Synkretistische und Ungeordnete, ja geradezu Entropische der Riten, die doch Klarheit und Ordnung geben sollen.

Hinzu kommt die Multiplikation der Erzählperspektiven, die Multizentralität des Erzählens. Die eine Zentralfigur ist der Sohn der Toten, der erfolgreiche Schriftsteller, der aus der Großstadt aufs Land reist und damit immer zugleich in seine Vergangenheit, in eine vorsäkulare Gesellschaftsordnung, ins Innere der Familienbande, deren Kräfte er offenkundig nicht zuletzt durch literarische Darstellung bannt. Alle kommen sie in seinen Büchern vor, eher schmeichelhaft gezeichnet, wie es scheint. Mit einer Ausnahme: Yongsoon, ein weiteres Zentrum des Films und zwar gerade als exzentrischste der Figuren, die hier zum Familienbild zusammentreten. Das schwarze Schaf, die Nichte des Autors, Geld, heißt es, hat sie mitgehen lassen, die guten Sitten verfehlt sie immer um ein kleines, gerade darum umso merklicheres Stück. Zu den Beerdigungsriten trägt sie ein Fest-, kein Trauerkleid. Ans Grab bringt sie dem Vater und der Großtante Pringles-Chips und allerlei dem Anlass nicht angemessenes Naschwerk. Sie ist es, die mit der Wiederaufnahme in die Familie ein Happy-End erleben wird.

Und ein drittes Zentrum. Mit der Stimme der Tochter des Schriftstellers werden kleine, artifizielle Inserts erzählt und von Im Kwon-Taek im Bruch mit dem Realismus des Rests vor Augen gestellt, vom Älterwerden der Großmutter, das sich als Prozess der Infantilisierung erweist. In Studiokulisse vor gemalten Hintergründen verjüngt sich die Greisin, wird symbolisch die Ablösung der Generationen dargestellt. Es werden sich diese Szenen zuletzt als Beispiel der narrativen Familienverarbeitung des Schriftstellers erweisen und damit etwas allzu nahtlos vielleicht in die elegante Anordnung dieses zuletzt Kreise lieber schließenden als offen haltenden Films eingebunden.

Bleibt aber ein viertes Zentrum. Eine Freundin, Kollegin des berühmten Autors, wie er aus der Großstadt, Journalistin, sie verfasst ein Porträt, des Schriftstellers, seiner Familie, anlässlich der Begräbniszeremonie, die alle zusammenführt. Am ehesten ist sie die Vertreterin des Regisseurs, emsig Informationen sammelnd, unbeteiligt beteiligt, Freunde wie Neider befragend, beobachtend, ohne teilzunehmen, ethnografisch geradezu. Aus der Distanz, die der Film mit ihr zum Geschehen hält, gelingen jene leicht satirischen Zuspitzungen, die den Ton des Ganzen prägen.

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