Der Titel bedeutet Von ganzem Herzen", und neben dem Thema
Terrorismus geht es genau darum: der männliche Held, ein Radio-Journalist,
verliebt sich, auf einen, noch dazu sehr kurzen Blick im Regen auf einem
Bahnhof in eine Fremde. Er begegnet ihr wieder, er folgt ihr, er fordert
ihre Liebe. Nach und nach erfährt man mehr über sie, sie gehört
zu einer Gruppe von Terroristen, der Journalist wird böse verprügelt.
Er gibt jedoch nicht auf, Tanznummern scheinen die Erfüllung seiner
Träume anzukündigen.
Etwa in der Mitte des Films aber gibt es einen
Bruch: die Vorbereitungen auf ein brutales Attentat beginnen. Ratnam filmt
das in einer atemberaubenden Parallelmontage von Auskundschaften des Tatorts
und antizipiertem Festaufmarsch. Großartig ist die Kamerarbeit: von
Handkamera zu unglaublicher Fluidität bei den Musikszenen vermag sie
alles. Die Tanznummern selbst sind von großer Eigenständigkeit:
mehr als zehn Minuten und umwerfend die erste: das Paar, das zueinander finden
sollte und jeweils zugeordnete Gruppen von Männern und Frauen auf einem
durch wildromantische Gebirgsgegenden fahrenden Zug. Die Kamera fliegt darum
herum, darauf zu, erzeugt einen Sog von Bewegung, dazu die rhythmische Musik
von A.R. Rahman: Das ist nicht Musik im Film, sondern Film als Musik. Die
Ästhetik schwankt dabei, für westliche Augen, stets irgendwo zwischen
Werbefilm und Videoclip, aber immer mit einem entscheidenden Überschuss
übers Funktionale der anpreisenden Bebilderung. Einem Überschwang,
dem die Bilder eine Wahrhaftigkeit verdanken, die mit Realismus nichts zu
tun hat, eher mit der Wahrheit eines ernst gemeinten, wenngleich kompliziert
kodierten Pathos, das - das ist vielleicht das Überwältigendste
daran - stets in der Nähe des (absichtlich!) Komischen siedelt.
Ratnam scheut sich nicht, Szenen von Brutalität, aber auch die
Erstickungsanfälle der Heldin zu zeigen, die Folgen des Traumas einer
Vergewaltigung in ihrer Jugend. Die Rückblende, die die Zerstörung
ihres Dorfes zeigt, findet Bilder, die man so schnell nicht vergisst. Dann
macht die Handlung eine unerwartete Wendung (wie, trotz der Länge der
Filme, Wendungen immer rasch geschehen, keiner umständlichen
Plausibilisierung bedürfen; die Plots sind auf das Wesentliche, Action
und Liebesdiskurs, konzentriert - im Kontrast zu den arienartigen Ausfaltungen
in Musik und Tanz): dem Journalisten wird eine Braut zugeführt, eine
moderne und westliche junge Frau, mit der man sogar über Sex reden kann.
Damit wird der an nicht ineinander aufgehenden Oppositionen reiche
Film um eine weitere ergänzt. Offensichtlich ist die zwischen der Stadt
(und ihren modernen Sitten in der, siehe
Monsoon Wedding, typischen
Ausprägung des bewussten Rückgriffs auf alte Heiratstraditionen)
und dem Land - Amar bewegt sich vom vertrauten Bereich in den fremden, Meghanas
Bewegung ist die umgekehrte. Amars Aufgabe ist die Dokumentation des
Terrorismus, statt aber bloßer Beobachter zu bleiben, verliebt er sich
in die Terroristin. Ihr, die - nun auf seinem Terrain, in der Stadt - ganz
und gar auf den Anschlag konzentriert sein sollte, kommt die Liebe dazwischen.
So treffen Terrorismus und Liebe als Gegensätze in der Terroristin Meghana
zusammen - und zwar unlösbar, unüberwindbar: interessanterweise
lässt sich genau über diese Konstruktion eines Paradoxons, an dem
sich Amar von Anfang an abzuarbeiten hat, beides völlig ernsthaft
verhandeln: Liebe und Terrorismus. Allerdings ist der Terror, das muss man
wohl einräumen, gelegentlich nicht mehr als eine Variable, die nichts
Spezfischeres garantiert als den bitteren Ernst der Unmöglichkeit einer
Liebe - und wäre so, zum Beispiel, im Prinzip austauschbar gegen verfeindete
Familien, Macht des Schicksals, Raffinesse eines Intriganten. Das aber
oszilliert, denn in der Darstellung der Terroristen, in der Motivation Meghanas,
die spät und umso eindrucksvoller im Film geliefert wird, gewinnt die
Auseinandersetzung mit den Gründen für den Terror gehöriges
Eigengewicht, belässt es Ratnam gerade nicht bei nur hingeworfener
Plausibilisierungs-Staffage.
Es gibt im Film eine Unzahl von Aushandlungssituationen, in der ersten
Hälfte im Unernst des Song-and-Dance-Registers, etwa in der zweiten
Einlage, die die Vordergrundvereinigungen von Amar und Meghana mit beinahe
absurden Hintergrundexplosionen und -bränden spielerisch, wenn nicht
frivol konterkariert. Der Hintergrund aber fungiert hier, wie schon
in der allerersten Einstellung des Films auf den Stacheldraht einer
Straßensperre, als nicht mehr und nicht weniger denn ein Marker, ein
Signal dafür, dass der Terror gegenwärtig bleiben wird. Und die
Frivolität wird sich im Schlussbild erledigt haben, als dessen tragisch
ironisches Vorspiel sich die Einlage erweisen wird. Eine letzte Aushandlung
präsentiert, hoch emotional und ausgesprochen fair zugleich, die Argumente
auf beiden Seiten - die Kamera umkreist Amar und Meghana mehrmals in
voller Fahrt, symbolisiert auf diese Weise den Verzicht auf einen festen
Standpunkt des Films, der bis zuletzt beiden ihre Rechte zugesteht. Die
(für Amar) konfliktfreie Auflösung durch den Austausch der Frau
und des Liebesmodells - von romantisch/unmöglich zu modern/pragmatisch
- täuscht der Film an und lässt daran alle Erwartungen ins Leere
laufen. Stattdessen bietet er, so konsequent wie überlebensgroß
und bitter, den gemeinsamen Liebestod. Die Explosionen der
zweiten Song-and-Dance-Einlage greifen endgültig auf den Vordergrund
über, Liebe und Terror verschmelzen miteinander, buchstäblich,
die Unmöglichkeit der Liebe wird aufgelöst in tragische
Vereinigung im Tod.
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