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Hannibal
USA 2001
Regie: Ridley Scott
Mit Anthony Hopkins, Julianne Moore, Gary Oldman
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KRITIK
Dr. Hannibal Lecter ist seinem Verlies endgültig entkommen. Als
Feingeist lebt der Massenmörder in Florenz, umgibt sich mit Hochkultur
und edlen Speisen. Ein freundlicher alter Herr mit perfekten Manieren, dessen
Blick hin und wieder seltsames Unbehagen erzeugt. Ganz kurz leuchtet dann
jener Abgrund in seinen Augen, der uns unvergesslich geblieben ist, seit
Lecter in seiner Zelle hinter der bruchfesten Scheibe lauerte und die seelischen
Untiefen der jungen FBI-Agentin Clarice Starling erforschte.
Seit Jonathan Demmes Meisterwerk "Das Schweigen der Lämmer"
sind zehn Jahre vergangen. Dr. Hannibal Lecter ist zur Kultfigur geworden,
zum Vater aller Serienkiller, ein kluges Monster, dem wir insgeheim Respekt,
Hochachtung und sogar Sympathie zollen könnten.
Mit aller Vorsicht nähert sich Regisseur Ridley Scott ("Gladiator")
in seiner Fortsetzung "Hannibal" dieser Legende. Er lässt Lecter zuerst
nur mittelbar erscheinen: als Foto oder auf Video, seine Stimme auf Tonband,
seine Spuren in Form der vergitterten Maske, die er einst tragen musste.
Als Lecter zum ersten Mal in persona auftaucht, liegt sein Gesicht im Schatten.
Wie ein Geist, ein mysteriöser Spuk tritt er in den
Film.
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Anthony Hopkins spielt Hannibal wieder als Charmeur und Mörder,
Gentleman und wildes Tier zugleich. Doch befreit von allen Fesseln erscheint
sein Lecter gelöster, entspannter, beinahe gut gelaunt. Julianne Moores
Starling wirkt dagegen verbissen und knallhart, doch auch verletzlich, pure
Physis, aber mit dem Herz einer Löwin. Es ist die gleiche starke, schwache
Clarice wie bei Jodie Foster, wenn auch reifer und vieler Illusionen
beraubt.
Obwohl als Polizistin und Killer eigentlich Gegner, waren die beiden
schon im ersten Teil Komplizen im Geiste. "Hannibal" lässt sie nun als
Seelenverwandte erscheinen. Beide glauben an Gerechtigkeit und Loyalität,
beide sind wortgewandt und geistvoll, selbstsicher bis hin zur Arroganz,
Individualisten, die sich magisch miteinander verbunden fühlen - fast
wie Liebende. Die Zärtlichkeit, die Scott in ihre gemeinsamen Szenen
legt, spricht Bände.
Die Feinde sitzen woanders: der seit seiner Begegnung mit Lecter
grausam entstellte Eigenbrödler Mason Verger (Gary Oldman) und der
hinterhältige, von Ehrgeiz zerfressene Justiz-Beamte Paul Krendler (Ray
Liotta). Beide jagen Lecter, um ihn einer bestialischen Hinrichtung im privaten
Kreis zuzuführen. Gegen ihre Pläne wirken Lecters Taten wie bloße
Notwehr.
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Schon im düster-hoffnungslosen Roman "Hannibal" von Thomas
Harris vegetierte das Böse an jeder Ecke. Das Drehbuch von Steven Zaillian
("Schindlers Liste") und dem Dramatiker David Mamet ("Glengarry Glen Ross")
atmet den gleichen Geist: Viele der messerscharfen Dialoge und einprägsamen
Szenen des Romans finden sich wieder, nur ein paar Charaktere wurden gestrichen.
Selbst der größte Eingriff - das umgestaltete Finale - bleibt
im Sinne des Erfinders: Film und Buch tragen im Herzen eine
Liebesgeschichte.
Wer also mit einem Serienkiller-Thriller rechnet, wird enttäuscht
sein. Wer die subtilen Psycho-Spielchen des ersten Teils erhofft, wartet
vergeblich. Wer Täter und Opfer, Gut und Böse klar definieren will,
wird scheitern. Wie töricht wäre es auch gewesen, von Ridley Scott
eine Blaupause des Demme-Films zu erwarten?
Sein "Hannibal" ist ein Kunstwerk von eigenem Rang, nur durch die
Figuren mit seinem Vorgänger verbunden. Der Film ist Horror-Oper und
abgründiges Liebesdrama, grauenvoll, poetisch, radikal und krankhaft
komisch, eine mutige Maßlosigkeit, die Moralisten zum Toben bringen
wird. "Hannibal" serviert seine einzigartige Geschichte in exzellenten Bildern
und geht ebenso tief unter die Haut wie die erste Begegnung mit Dr.
Lecter.
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