Tom Tykwer ist in seinen bisherigen Filmen ein exzellenter Regisseur
oft hanebüchener Drehbücher gewesen, die leider, das macht das
Lob so zweischneidig, auch von ihm selbst stammten. Mit "Heaven" hat er nun
erstmals eine fremde Vorlage verfilmt - wenngleich eine gewisse weltanschauliche
Nähe zwischen dem freischwebenden Metaphysiker Tykwer und dem Katholiken
Kieslowski sofort einleuchtet. Tykwer selbst bestätigte das auf der
Berlinale-Pressekonferenz ohne Zögern. Auf dem Gebiet von "Heaven" kenne
er sich aus. Und auf Nachfrage beschrieb er sich selbst als "spirituellen
Atheisten".
"Heaven" zerfällt in zwei Teile, von denen der erste besser ist,
als man denken sollte, und der zweite schlechter, als er sein müsste,
um das spirituelle Gewicht zu tragen, das den Figuren wie der Geschichte
darin aufgebürdet wird. Alles beginnt mit einer Bombe, die ihr Ziel
nicht trifft. Filippa Paccard, die einen Drogendealer vernichten wollte,
hat vier Unschuldige getötet. Diese Schuld ist das Trauma, auf das der
Rest des Filmes antwortet. Es geht um Filippas Erlösung durch die Kraft
der Liebe. Die trifft, auf den tykwer-typischen ersten Blick und aus heiterem
Himmel, den als Übersetzer während des Verhörs anwesenden
Carabiniere Filippo (man achte auf die Namen), der ihr zur Flucht und gar
noch zur Rache verhilft. Bis dahin ist "Heaven" ein atmosphärisch dichter
Psycho-Thriller, der seine stärksten Momente am Anfang hat. Im bewussten
Verzicht auf den Knalleffekt lässt Tykwer die Bombe außerhalb
des Kamerabereichs explodieren, man sieht nur, das vielleicht
eindrücklichste Bild, einen Riss, der sich durch die Leinwand
zieht.
Dann aber wechselt der Film, vielleicht nicht ganz abrupt, aber doch
deutlich, das Register. Schon wenn der Zug, mit dem die beiden aufs Land
flüchten, aus einem Tunnel auftaucht und im Voice-Over-Dialog von Geburt
die Rede ist und sich unmittelbar danach herausstellt, dass Filippos Geburtstag
der Tag von Filippas Erstkommunion war, muss einem klar werden: wir sind
ab sofort auf hoch symbolischem Gelände. Für den Rest des Films
geschieht nicht mehr viel, die Geschichte der zwei - nun doch - Liebenden
wird mehr und mehr zum Vorwand für visuelle und metaphysische Symbolik.
Alles endet, ganz ungelogen, mit einer veritablen Himmelfahrt per Helikopter;
die gewagteste, pathetischste und, da in ihrer unbeholfenen Aufdringlichkeit
misslungen, auch peinlichste Einstellung liegt kurz davor: die geschlechtliche
Vereinigung, oder vielleicht sollte man gleich Kommunion sagen, Filippos
und Filippas, als Schattenriss unterm großen Baum, zu dem man sich
(wiedergewonnenes Paradies etc.) viel denken kann, besser aber nicht denken
sollte.
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