Auf der Bühne stirbt im Stück von Ionesco der König,
es ist eine Farce nicht ohne Tragik. In der Garderobe wartet eine wirkliche
Todesnachricht auf den Darsteller des Königs, Gilbert Valence, seine
Frau, sein Sohn und dessen Frau sind bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Manoel de Oliveira inszeniert den doppelten Auftritt des Todes, auf und hinter
der Bühne, ohne alle Dramatik, beiläufig, mit dem typisch langen
Blick seiner Kamera-Einstellungen, der immer einen Moment länger ausharrt
als eigentlich nötig scheint, der so Freiraum lässt für die
Beobachtungen des Zuschauers, aber auch der Geschichte Luft zum Atmen. Anders
als Das Zimmer meines
Sohnes, der mit höchster Genauigkeit dem Einbruch des Todes
in den Alltag bei der Arbeit zusieht, anders als
Unter dem Sand, der die
Nicht-Verarbeitung des Traumas in der Verdrängung vorführt, macht
Ich gehe nach Hause wenig Aufhebens um das Trauma. Eine Schrifttafel
bemerkt nach dieser ersten Szene lapidar: Einige Zeit später.
Seltsam unberührt scheint die neue Ordnung der
Familienverhältnisse vom Geschehenen: der Großvater und der zur
Waise gewordene Enkel behüten einander nun, das Leben des Schauspielers,
seine Bühnenarbeit geht weiter. Er spielt Prospero im Sturm, er streitet
sich mit seinem Agenten, der ihm die Rolle eines gealterten Liebhabers in
einem Fernsehfilm andrehen will. Zwischen diesen Szenen, die er wie
beiläufig erzählt, lässt Oliveira viel Luft für die Bewegung
von Valence durch die Straßen von Paris, so viel Luft, dass rasch die
Rituale, in die er sein Leben eingefangen hat, sichtbar werden: stets besucht
er dasselbe Café, liest stets Libération und wenn er geht,
setzt sich immer derselbe Mann an den Tisch und packt seinen Figaro aus.
Schalkhaft und ernst zugleich beschreibt Oliveira die winzige Revolution
im austarierten Alltagsgefüge, als der Zeitplan einmal nicht stimmt.
Es ist, als zitterte kaum spürbar an dieser banalen Stelle die
ausgebliebene, die nicht gezeigte Erschütterung nach, die der Tod der
engsten Familie hätte auslösen müssen.
Auf den ersten Blick nur grotesk wirkt das nächste Engagement,
das Valence annimmt: er soll die Rolle des Buck Mulligan in einer Verfilmung
von Joyces Ulysses spielen, John Malkovich gibt mit viel Gusto den amerikanischen
Kunstfilm-Regisseur als Karikatur seiner selbst. Mit schrecklicher Perücke,
in einem vergeblichen Verjüngungsversuch entstellt, hat Valence seinen
vermutlich letzten Auftritt, tapfer hält er einen Moment noch aus auf
dem verlorenen Posten - dann aber geht er nach Hause, ein verwirrter, alter
Mann. Der letzte Blick, den wir werfen, ist der auf seinen Enkel, der neugierig
und irritiert, besorgt und letztlich nicht eindeutig entzifferbar seinem
noch immer von Perücke und Bart entstellten Großvater hinterhersieht.
Das Ende bleibt offen, Hoffnung und Trost aber hält es nicht
bereit.
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