Die Vorgeschichte, erzählt wird sie in der ersten Hälfte
des Films: Die unendlich reiche Familie Raichand hat zwei Söhne, von
denen der ältere, Rahul (Sha Rukh Khan), adoptiert wurde. Das spielt
jedoch keine Rolle - bis er sich bei der Wahl seiner Ehefrau dem Willen des
Vaters (Amithabh Bachchan) widersetzt. Er verliebt sich in Anjali (Kajol),
ein tölpelhaftes, aber selbstbewusstes Mädchen aus dem Dorf, heiratet
sie ohne Einwilligung des Vaters, der die beiden verstößt. Der
jüngere Sohn, der all die Jahre in England studiert hat, erfährt
davon erst bei seiner Rückkehr in den Schoß der reduzierten Familie
und macht sich auf nach London - das wird in der zweiten Hälfte
erzählt -, wo sein Bruder mit Frau, Kind und Nichte Poo (Kareena Kapoor)
lebt, um - zunächst undercover - die Versöhnung der Familie
herbeizuführen.
Das eigentliche Thema des Films, von den dick aufgetragenen Familienwerten
abgesehen, ist das Gegenüber von Ost und West. Es teilt sich auf in
mehrere Parallelaktionen, deren eine die Konversion der Nichte Poo von einer
ganz und gar westlich orientierten, aufreizend bekleideten College-Studentin
zur braven Inderin ist. Dem neuen Umfeld gegenüber - in dem Rahul wundersam
sofort wieder zu unendlichem Reichtum gelangt ist - skeptisch ist von Anfang
an Anjali, die mit freundlichem Gesicht Mrs. Sprightley, der Mutter
einer Freundin ihres Sohnes, auf Hindi die größten Beleidigungen
entgegenschleudert. Mentalreserviert macht man mit, was verlangt wird, die
fundamentale Opposition wird nicht aufgegeben. Zur Versöhnung kommt
es nur unter dem Vorzeichen des Triumphs des Indischen: auf dem Schulfest
hat Krish, der Sohn der Familie, mit der ganzen Klasse die indische Nationalhymne
eingeübt. Nach kurzem Zögern erheben sich auch die englischen
Eltern.
Mit Berührungsängsten hat die Ablehnung gar nicht viel zu
tun: der Film appropriiert die fremde Welt Londons von der ersten Minute
an mit großem Selbstbewusstsein, meilenweit entfernt vom Exotismus,
der seit Jahrzehnten den Blick auf die Schweiz geprägt hat. Ganz
selbstverständlich werden in den Song-and-Dance-Einlagen in der Londoner
Szenerie die Einheimischen integriert. Der Umgang - vor allem Poos - mit
den Klischees des Englischen (mehr als des pauschal Westlichen) schwankt
zwischen Übernahme und Karikatur, bevor er sich, wie gesagt, in Richtung
Hindu-Traditionalismus bewegt. Vor allem aber werden auf nie explizit gemachte,
aber umso eher ideologieproduzierende Weise der Familienkonflikt und das
Ost-West-Verhältnis - das als nach London verlegtes indieninterne Spannungen
einerseits nach außen projiziert, andererseits vor allem das NRI-Publikum
ansprechen soll - übereinander geblendet, ähnlich wie bereits in
Mohabbatein, gar in der
selben Superstar-Paarung von Sha Rukh Khan und Amithabh Bachchan. Mit dem
starren Beharren auf der Tradition (das wird mehr als einmal wiederholt)
verstößt Vater Indien den Sohn in die Ferne - die Arbeit an der
Familienzusammenführung ist also Arbeit an einem Kompromiss zwischen
Ost und West.
Neben der tendenziell reaktionären Position (siehe Poo), die
der Film in dieser Aushandlung einnimmt, ist daran vor allem die Verlagerung
des Kulturpolitischen in die familienmelodramatische, also private
Versöhnung ideologisch. Ästhetisch entspricht dem eine häufige
Verschiebung des Bollywood-Gefühlspathos ins bloße Sentiment;
natürlich ist die Trennlinie alles andere als klar, hier aber an dem
einfältigen Bombardement mit dem geschluchzten Titelmotiv gut festzumachen.
Alle mit dem Vater-Mutter-Söhne-Konflikt verbundene Gefühlsbewegung
wird mit dem versöhnlerischen "Kabhi Kushi Kabhi Gham" (übersetzt:
manchmal glücklich,manchmal traurig) grundiert: seien es imaginierte
Zusammenkünfte vor zentral platzierten Fotografien im jeweiligen Palast,
sei es der bloße Gedanke der Mutter an den Sohn, des Sohnes an die
Mutter. Trotz großer Momente, die es fraglos gibt, fehlt es Kabhi
Kushi Kabhi Gham an der Klarheit des Pathos, an der in Freiheit umschlagenden
Unbändigkeit, mit denen Bollywood in seinen besten Momenten
hinzureißen versteht.
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