Fruit Chan macht in "Made in Hongkong" den hier seltsam verzeihlichen
Fehler, seinen Film mit allem vollzustopfen, was er an Plot-Ideen und Motiven
immer schon mal loswerden wollte. So legt er über die Geschichte einer
aufkeimenden Liebe erstens melodramatisch den Schatten einer tödlichen
Krankheit, die die Geliebte umzubringen droht, koppelt diesen Plot zweitens
genretechnisch mit dem Rückgriff auf den Hongkongkino-Mainstream, indem
er das Triaden- und Profikillermilieu ins Spiel bringt und stellt einen
Teenager-Selbstmord, der für alle Beteiligten zur Obsession wird, in
den Hintergrund. Dazu gibt es noch das Buddy-Movie um den Helden Autumn Moon
und seinen geistig behinderten Schutzbefohlenen Sylvester und jede Menge
Anspielungen auf Hollywood; den größeren Rahmen bieten,
zusatzproblematisch, Familienkonstellationen, der Verlust von Vätern
und Müttern.
Diese Anhäufung disparater Momente hat mit der Entstehungsgeschichte
des Films zu tun. Er ist nämlich, buchstäblich, dem kommerziellen
System der Filmindustrie von Hongkong abgetrotzt, als dessen Zulieferer Fruit
Chan - etwa bei Filmen mit Jackie Chan - lange Jahre tätig war. Zu den
mythischen Erzählungen filmischen Neuanfangs (von der "Nouvelle Vage"
bis zum "Neuen deutschen Film") gehört die vom Zelluloid-Material, das
man zur Independent-Umnutzung von Großproduktionen wegstibitzt : so
lief das auch hier (unter anderem als Geschenk von Superstar Andy Lau), denn
nach Chans an den Kassen gefloptem Depüt "Finale in Blood" wollte ihm
keiner mehr Geld anvertrauen. "Made in Hongkong" ist mit geringstem finanziellen
Aufwand hergestellt, ausnahmslos mit Laien gedreht, selbst produziert und
dadurch beinahe ein Unikum in der Filmgeschichte von Hongkong. Chan muss
die Angst im Nacken gesessen haben, vielleicht nie wieder einen Film machen
zu können, also hat er alles, was er hatte, in diesen einen gesteckt
(die Geschichte verlief dann freilich anders: "Made in Hongkong" wurde mit
Preisen überhäuft, Fruit Chan hat seither vier weitere Filme
gedreht).
Obwohl sich die vielen Stränge des Films nicht wirklich zu einem
kompakten Ganzen verbinden, obwohl jeder einzelne der Stränge ein bisschen
genauere Ausarbeitung und Vertiefung gut vertragen hätte, obwohl "Made
in Hongkong" in der formalen Umsetzung immer wieder ins Stolpern gerät,
hält ihn doch etwas zusammen: der entschiedene Wille seines Machers,
keine Rücksichten zu nehmen, seine Geschichte mit aller Konsequenz,
mal pathetisch, mal poetisch, aber immer mit kompromisslosem Ernst, gegen
die sogar noch aufgerufenen Konventionen des Actionkinos anzuerzählen.
Die Verwirrungen, die er dabei stiftet, sind, will einem scheinen, teils
dem formalen Einfallsreichtum (sehr ungewöhnliche Blickwinkel,
Zeitsprünge, Tempowechsel), teils auch der handwerklichen Unbeholfenheit
(Anschlussfehler, seltsame Schnitte, schlechte Beleuchtung, schlechter Ton)
verdankt, für den Endeffekt ist es fast egal. Gerade weil er über
Stock und Stein geht, Umwege macht und sich Abschweifungen erlaubt, nimmt
der Film mit. Seine oftmals quasi-dokumentarischen Bilder aus den Straßen
Hongkongs, aus den Hochhaussiedlungen, in die die Bewohner der Stadt gepfercht
sind, hat man zuvor noch nicht gesehen. Und aller Überfrachtung zum
Trotz gelingt Fruit Chan ein überzeugendes, bitteres, dramatisches Ende,
das allem Kitsch (durchaus mit viel Pathos) die Tür vor der Nase
zuknallt.
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