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Rushmore
USA 1998
Regie: Wes Anderson
Mit Jason Schwartzman, Bill Murray, Olivia Williams
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KRITIK
Strenggenommen ist er unausstehlich, adoleszente Arroganz in ihrer
allerschlimmsten Form. Er ist prätentiös, selbstverliebt und ganz
und gar egozentrisch; er ist aufdringlich, rücksichtslos,
rach-süchtig, eitel, verlogen, versnobt, hinterhältig und
geltungsbedürftig. Er ist fünfzehn oder sechzehn, ein Fall extremer
Hybris, der, wie noch jeder Fall dieser Art, für seine Anmaßung
bestraft werden wird. Daß er bestraft wird, tut uns leid, und daß
es uns leid tut, ist, eingedenk all der sozial unverträglichen
Eigenschaften, die dieser Protagonist auf sich versammelt, mehr als
erstaunlich.
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Oder eben nicht so erstaunlich, immerhin sind die Eigenschaften vertraut.
Sie treten selten in derart beglückender Vollständigkeit auf, aber
man kennt sie, aus der eigenen Biographie und aus anderen. Genie und Wahnsinn
im Kleinformat, und wenn kein Genie, dann wenigstens die feste Überzeugung,
daß der Rest der Welt einfach zu beschränkt ist, es zu bemerken.
Hybris eben, Adoleszenz eben, im Fall von Max Fischer (Jason Schwartzman)
gepaart mit pathologischem Aktivismus, der seinen Aus-druck in der Gründung
immer neuer Clubs, Gesellschaften und Vereinigungen findet, die meisten davon
unbestimmt elitärer Natur, alle mehr oder weniger anachronistisch in
ihrer Ausrichtung, und in der Gesamtzahl zu viele, um dem Protagonisten noch
die Muße für andere Tätigkeiten zu lassen, die seiner Person
ohnehin nicht ganz würdig wären. "He's one of our worst students",
bemerkt der Direktor des Nobelinternats Rushmore, aber das wird für
Max Fischer erst zum ernstzunehmenden Problem, als sie schon dabei sind,
ihn von der Schule zu werfen.
Vorher widmet er sich dem Theater. Der Fechtkunst, der politische
Debatte, dem Kampfsport, der Philatelie, der Bienenzucht, dem Seifenkistenrennen,
dem Cricketspiel und der Erhaltung der lateinischen Sprache als Unterrichtsfach
auch, aber vor allem dem Theater und den Produktionen der Max Fischer Players,
die sich auf die Adaptierung von Kinoklassikern für die Bühne
spezialisiert haben. Am Anfang des Films steht eine Bühnenversion von
"Serpico", am Ende eine Paraphrase von "Apocalypse Now" - wundersame
Inszenierungen beide und, jede für sich, Grund genug, Rushmore zu sehen,
auch wenn man weder für Typen wie Max noch für das Genre des coming
of age-Films besonders viel übrig hat.
Zwischen "Serpico" und "Apocalypse Now" indes liegt die Leidenszeit:
zwei oder drei Monate nach dem Kalender, eine Ewigkeit in der Welt des Genies,
das sich erst verkannt, dann verraten sieht, später auch verfolgt, verhaftet
und verstoßen. Das Leiden des Max Fischer beginnt konventionell mit
einer Leidenschaft, die durchaus nicht erwidert wird, und setzt sich, weniger
konventionell, in einer Reihe von Liebeshändeln fort, in denen ein junger
Künstler und sein vormaliger Mentor (Bill Murray) einen relativ gnadenlosen
Kampf um das Recht auf Liebe einer Grundschullehrerin (Olivia Williams)
ausfechten, die den einen wie den anderen eigentlich ganz gerne wieder los
wäre. Die läuternde Wirkung von Leiden ist bekannt, und weil Rushmore
da keine Ausnahme machen will, wird auch Max Fischer nach einer Zeit voller
Anfechtungen und Unglück zwar unverändert größenwahnsinnig
sein, aber dennoch ein besserer Mensch als
zuvor.
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Ein freundlicher Film also und eine schöne und eine sehr
leichthändige Studie in Sachen Einsamkeit und Verletzlichkeit. Das Personal
von Rushmore sind Sonderlinge, mal solidarisch, mal weniger, aber immer
fähig, einander auf den ersten Blick zu erkennen. Die amerikanische
Kultur hat für diese Spezies (die erstaunlich vielgestaltig ist) das
Wort Nerds erfunden und ihr in Filmen von Woody Allen bis Todd Solondz ein
festes Auftrittsrecht eingeräumt. Rushmore fügt dem
Kuriositätenkabinett dieser Regisseure ein paar Gestalten hinzu und
bereichert dabei die Welt des Bildungsromans um eine Erzählung, die
zumindest in diesem Genre nicht ihresgleichen hat: die Geschichte vom
glücklichen Nerd.
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