Christian Petzold: Toter Mann  (D 2001)

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Christian Petzold: Toter Mann  (D 2001)

D 2001

Regie: Christian Petzold

Mit Nina Hoss, Andre Wennicke, Sven Pippig

 

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Christian Petzold: Toter Mann  (D 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

Toter Mann 

Nicht schaumgeboren, sondern täuschend wasserklar steigt in der ersten Einstellung des Films Leyla (Nina Hoss) aus dem Becken eines kleinen Schwimmbads. Als sie geht, fällt ihr ein Buch zu Boden, ein Mann, der Anwalt Thomas Richter, hebt es auf, sie blickt ihn an, man wird sich wieder begegnen. Der erste Eindruck, den man hat, geht in die Irre: die Liebesgeschichte, die sich hier anbahnt, in seltsamen Zufällen, mit erneutem Aufeinandertreffen ganz wie bei Rohmer (oder bei Agnes Varda in Cleo von 5 bis 7, die Szene im Park, dieser Aufschub, bevor Cleo erfahren wird, ob sie sterben muss oder nicht, zugleich der mögliche Beginn einer Liebe; diese Szene hat Petzold, erzählt er im Anschluss an den Film, den Darstellern zur Einstimmung gezeigt), mit der scheinbaren Offenheit des Möglichkeitshorizonts, einer unschuldig verbrachten gemeinsamen Nacht, Musik von Van Morrison und Bacharach, diese ganze Liebesgeschichte in ihren klaren, unmanipulativen Bildern, sie ist ein einziger Betrug. Und dann auch wieder nicht. In dieser Uneindeutigkeit, dieser sich unter der (bald) offenbaren Manipulation einschleichenden (nachträglichen) Eröffnung einer Alternative, liegt ein Reiz, den der Film nicht ausspielt, auf den er ganz zum Schluss erst wieder zurückkommt. Es ist dann, leider, ein bisschen zu spät.

Eigentlich nämlich will er auf etwas anderes hinaus, ordnet dieser anderen Geschichte seinen Beginn unter, die Möglichkeiten, die in diesem Beginn liegen, fokussiert den Blick um auf eine andere Begegnung, Wiederholung mit Variation der ersten. Wieder geht die Heldin mit Täuschungsabsicht vor, wieder laufen die Dinge nicht (ganz) so wie sie geplant hat, wieder kommt etwas dazwischen, womit sie nicht rechnen konnte. Dieses Gegeneinander von Berechnung und einem Widerstand, der keiner des Schicksals ist, keiner des Zufalls, eher einer der Dynamik des Zwischenmenschlichen, der Nicht-Berechenbarkeit des Individuums, über das man nie alles wissen wird, um dieses Gegeneinander ist es Petzold zu tun.  Und die Individuen, die hier aufeinander treffen, sind sich näher, als ihnen selbst scheinen mag: einsam, verletzt, verloren, ganz quer zur Grenze, die zwischen Schuld und Unschuld verläuft.

Dennoch: die Verknüpfung der Geschichten und Figuren will nie restlos gelingen, zu sehr schimmert das Reißbrett durch, an dem die Handlung entworfen ist. In einer nicht ungeschickten, aber auch nicht ganz überzeugenden narrativen Bewegung kommt die Vorgeschichte auf die längst zur Hauptgeschichte gewandelte Nachgeschichte zurück. Man darf hier nicht zu konkret werden; der Film lebt, weniger leider als er könnte, von der allmählichen Entblätterung der Motive seiner Hauptfigur, von ihrem Geheimnis - das freilich, erst einmal entdeckt, den Film etwas zu sehr ins Genre-hafte kippen lässt. Nichts gegen das Genre-hafte, aber es verträgt sich nicht ganz mit der Erzählweise, verengt diese so offen angelegte Geschichte zu sehr.

Seine stärksten Momente hat "Toter Mann" in seinen Anfängen. Petzold erzählt in wunderbar klaren Bildern, die Dialoge sind atemberaubend ökonomisch, die Darsteller streng und überzeugend geführt. Die Einstellungen sind lakonisch, zurückhaltend, es gibt, auf die ganze Strecke, keine extradiegetische Musik: die im Film gespielte ist von umso größerer Bedeutung. Umso auffälliger, dass manches eher überflüssig erscheint: der Bruder etwa ist nicht viel mehr als ein Reflektor für den Anwalt, auf ihn hätte man wohl verzichten können. Später sind es einzelne Szenen, die rundum gelingen: wenn Leyla wiederum mit Wasser assoziiert wird, am Ufer eines Flusses, und wiederum kontrastiert die Klarheit des Wassers, der Bilder, der Töne mit ihren manipulativen Absichten. Mit dieser Stille, die den Ton des Films lange bestimmt, verträgt sich sein Ende nicht. Auch nicht der psychodramatische Zug, der zuletzt hereinkommt. All das ruiniert den Film nicht. Es ist nur, als geriete er irgendwann aus dem Gleis, auf dem er sich zuvor so sicher bewegt hat.

Lesen Sie auch unsere Kritik zu Christian Petzolds Film Die innere Sicherheit!

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