Jacques Rivette: Va Savoir (F 2001)

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Jacques Rivette: Va Savoir (F 2001)

F 2001

Regie: Jacques Rivette

Siehe den Eintrag zu Jacques Rivette im Lexikon der Regisseure

Filmografie Jacques Rivette

2003 L'histoire de Marie et Julien (Die Geschichte von Marie und Julien) (Kritik)
2001 Va savoir (Kritik)
1998 Secret défense (Geheimsache) (Kritik)
1995 Haut bas fragile (Vorsicht zerbrechlich!)
1994 Jeanne la Pucelle (Johanna, die Jungfrau)
1. Les batailles (1994)
2. Les prisons (1994)
1991 La Belle noiseuse, divertimento (Die schöne Querulantin, Divertimento)
1991 La Belle noiseuse (Die schöne Querulantin)
1988 La Bande des quatre (Die Viererbande)
1985 Hurlevent (Sturmhöhe)
1984 L'Amour par terre (Theater der Liebe)
1983 Merry-Go-Round
1981 Le Pont du Nord (An der Nordbrücke)
1976 Noroît (Nordwestwind)
1976 Duelle (Unsterbliches Duell)
1974 Céline et Julie vont en bateau (Céline und Julie fahren Boot) (Kritik)
1972 Out 1: Spectre
1970 Out 1: Noli me tangere
1968 L'Amour fou (Amour Fou)
1966 La Religieuse (Die Nonne)
1960 Paris nous appartient (Paris gehört uns)

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Jacques Rivette: Va Savoir (F 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]

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Va Savoir im Original mit engl. Untertiteln bei Blackstar

Türen. Va Savoir ist ein Film der Türen, sich öffnenden, zuschlagenden, zugeschlossenen. Sein Plot ist ein Türenplot und der Film so nicht Fleisch vom Fleische aber ein Strukturverwandter des Boulevardtheaters. Ohne weitere Umstände treffen sich die sechs Figuren, um deren galanten Reigen es geht, hinter Türen, die zuletzt, hier kippt das Theater in den Film, nichts sind als Schnitte. Rivette manipuliert, wie stets, die Zeit, diesmal aber dehnt er sie nicht (oder: selten), diesmal springt er, von einer Sekunde zur anderen, von der Bühne in die Garderobe oder hinaus ins Leben, das freilich, dank des Schwungs und der Leichtigkeit der Bewegung, nichts anderes ist als Bühne. (Es ist denkbar, dass das in der um eine Stunde längeren Fassung ganz anders ist, ja, es ist zu vermuten: Gewiss ist der Director's Cut ein ganz anderer Film.)

Nie war der Widerstand des Raums, der Widerstand der Zeit so gering, so verschwindend bei Rivette wie hier - es gibt ihn, als Signal: das Knarzen der Böden, immer wieder, nicht auf der Bühne, sondern in der Garderobe, in den Wohnungen, auf dem Dach. Kaum einmal aber legen die Figuren Wege zurück auf den Straßen von Paris (es gibt eine Szene am Ufer der Seine, aber auch hier dehnt sich nichts, es ist eine der charmantesten Verliebensgeschichten seit Woody Allens "Everybody Says I Love You"): sie tauchen aus U-Bahn-Eingängen auf wie durch sich auftuende Türen, sie tanzen durch Bibliotheken und huschen über die Bühne. Rivette unterläuft alle Plot-Ernsthaftigkeit, aber nicht durch Auflösung der erzählten Zeit in filmische, fast ereignislose Eigenzeit (Sandrine Bonnaire fährt Zug, in Geheimsache), sondern durchs rasante Hin und Her, von Strang zu Strang, durchs kaleidoskopartige Umkonstellieren der Zweierpaare, durch Schnitt und Schnitt und Schnitt.

Der Souverän des Films ist Jeanne Balibar, zwar verstrickt sie sich hinein in die Geschichten der anderen, intrigiert, mutwillig und im Gespräch mit sich selbst, schwebt dann aber wieder, sehr viel mehr als die Summe ihrer Beweggründe, herüber und hinüber, von Pirandello zu Rivette, vom Italienischen ins Französische, vom einen Mann zum anderen (und zum Dritten). Sie entkommt, wenn sie mag, auf unmöglichem Weg, schichtet sich einen Fluchtturm, ist auf dem Dach, die schönste der "Türen", ein Fenster ins Freie. Wunderbar, dass sie auf dem Dach in diese Richtung läuft, dann in die andere, als suchte sie nichts besonderes. Es gibt sie, diese Momente der totalen Freisetzung aus den Zusammenhängen des Narrativen, am schönsten hier. Die Leiter taucht dann auf, aus dem Nichts, pure Setzung, mit der die Geschichte dann, aus Lust und Laune eher als aus Notwendigkeit, weiter geht.

Rivettes Filme sind immer Experimente der Möglichkeitsform. Dies eine mal wird fast alles durchgespielt, wenigstens, könnte man sagen, eine Runde lang, und, muss man wohl dazusagen, ohne die radikale Lust daran, das Spiel zu weit zu treiben. Der Rückgriff auf den Halbernst des Boulevard-Erzählens, in Erinnerung gewiss an Ayckbourne/Resnais' Smoking/No Smoking, ist da nur zu logisch. Vom großen Geheimnis des Rivettefilms bleibt diesmal dafür nur ein Rest. Keine Verschwörung, nur die Suche nach einem obskuren Goldoni-Stück, der sich wie von selbst die tändelnde Liebesgeschichte von Do und Ugo beigesellt. Von wunderbarer Raffinesse, von unerhörter Leichtigkeit die Auflösung der Konflikte im Finale auf und über der Bühne, emblematisch der Showdown mit Wodka und Heidegger: über dem Abgrund, der keiner ist, schreiend komisch, kein Film der Fallhöhe, sondern der reinen, vollendeten Lust am Spiel.

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