Meist begann es so. So beginnt der Film. Damit, dass Julie auf der
Bank im Park sitzt, ein Buch über Magie liest, Celine vorbeieilt, etwas
fallen lässt und es beginnt eine Verfolgung, die eine Verführung
ist, eine spielerische Jagd hoch nach Montmartre, eine langsame Annäherung
dann der beiden Frauen. Aber, am nächsten Tag - das Insert, bevor der
nächste Filmtag anbricht. Alles pure Setzung. Das Kennenlernen vollzieht
sich wie ein ritualisiertes Spiel, am Ende wird sich der Kreis schließen,
Celine sitzt auf der Bank, Julie hastet vorbei.
Magie: die Herstellung von Zusammenhängen da, wo keine sind.
Der Eingriff ins Naturgegebene mit Mitteln, die nicht die der Natur sind.
Alles an Celine und Julie fahren Boot ist Magie, in diesem sehr
buchstäblichen Sinn. Julie, die Bibliothekarin, übt sich in der
Vorhersagekunst. Celine führt auf der Bühne die falschen Tricks
vor, die richtige Zauberei spart sie sich für das Leben. Die
existentialistische Magie der beiden: sie erfinden sich, in komplizenhafter
Konfabulation, immer wieder neu, tauschen ihre Identitäten und verdrehen
allen den Kopf. Celine, als Julie verkleidet, verführt Gilou, Julies
Verlobten, zu einem bizarren und bezaubernden Entkleidungstanz mitten im
Park, der auch eine allmähliche Entkleidung der Worte vorführt,
zitathaft romantisches Vokabular Stück für Stück aufs Ficken
runterbricht. Am Ende steht Gilou ohne Hose da und Julie, die Celine war,
ist davon.
Aber, am nächsten Tag - beginnen sich die vielen Geschichten
von Celine und Julie zu fokussieren. Celine erzählt eine Räuberpistole
von einem mysteriösen Haus, man sieht, wie sie die Geschichte vor Julies
Augen erfindet. Die Magie der Fiktion: etwas erzeugen, da, wo nichts war.
Also, magische Logik der Fiktion dieses Films, existiert dieses Haus.
Konkretestes Sinnbild all der Hintergrundverschwörungen und Mysterien,
die Rivettes Filme zu organisieren pflegen. Obwohl es in die Irre führt,
von Organisation zu reden: es sind eher (meist vertrackte) Angebote der
Sinnstiftung, Antäuschungen von Hand und Fuß, wo eigentlich das
Prinzip der Improvisation herrscht, der unendlichen Möglichkeiten jeden
Augenblicks, des Eintretens des Unerwartetsten. Die Logiken von Rivettes
Filmen sind, wie die des Traums, strikt intern, parasitär natürlich
an Zeichen und Erwartungen der Realität, aber nur weil es anders nicht
geht. Eigentlich wird die Wirklichkeit neu erfunden, von Moment zu Moment,
aus dem Konkretesten der Bilder von Paris, der Improvisationen der
Darstellerinnen.
Es liegt nahe, das mysteriöse Haus, das beide immer wieder aufsuchen,
als Kino zu deuten. Allein, es gibt keine Allegorien in Rivettes Filmen.
Kann sie nicht geben, da Allegorie immer bedeutet: das Durchsichtigwerden
des Stofflichen auf das Gemeinte, das Aufgehen der Bestandteile der Bedeutung
im Übertragenen. Rivette dagegen ist verliebt in den Eigensinn des
Stofflichen, des Bildes, das zeigt, was es zeigt, an dem alles zum Anlass
für unvorhergesehene Abzweigungen von der vielleicht angesteuerten Bedeutung
werden kann. Zu der es dann kein Zurück mehr gibt. Der scheiternde Frenhofer
Balzacs - den Giorgio Agamben als Terroristen der Bedeutung, als
Stoffverächter par excellence liest - wird in Die schöne
Querulantin zum Triumph der alle einmalige Festschreibung der Bedeutung
verachtenden Filmkunst Rivettes. Der Körper Emanuelle Béarts
wird von der Kamera den Zurichtungen Frenhofers entzogen, wird zum Unzurichtbaren
schlechthin. Wenn das Haus, in dem in geradezu terroristischer Repetition
immer wieder das gleiche geschieht, Sinnbild des Kinos wäre, dann nicht
des Kinos von Jacques Rivette.
Der Film, den die beiden, süßigkeitenlutschend, in seltsamer
Nachträglichkeit sehen, mal gebannt und mal gelangweilt, zuletzt mit
den Mitteln eigenwilliger Magie zurückbeschworen, ist zuletzt: ein Whodunit.
Ein archetypischer Krimi, dessen Elemente sich auf den zentralen Punkt der
Tat und vor allem der Täterin hin strukturieren. Die Strenge dieser
(gänzlich unmagischen) Form der Geschichtenerzählung wird, bei
Rivette, Bild. Statt der bewegten und neugierigen Handkamera der Szenen um
Celine und Julie, dem Verzicht auf inszenierende Festlegung der Bilder der
Stadt, der Wohnung, all der Räume, die die beiden sonst heimsuchen,
gibt es hier: statische Einstellungen, erstickenden Dekor, ihre Texte aufsagende
Schauspieler. Es ist kein Wunder, dass die beiden das nicht ertragen können
und sich als subversive Elemente in diese Geschichte einschleusen. Ihre
Rettungsaktion besteht in der Entführung des Mädchens, aber das
ist sozusagen nur der Vorwand für die gründliche Zerstörung
der Filminszenierung, die im Moment des Eindringens bereits als solche deutlich
wird: an den grünlichen Gesichtsmasken der Darsteller, die diese sogleich
als die Zombies eines vorgegebenen Drehbuchs ersichtlich werden lassen, die
sie sind. Als angeschickerte Parasiten an der fremden Fiktion werden Celine
und Julie zu Agentinnen des Rivette-Films im Anti-Rivette-Film. Sie leisten
gründliche Arbeit und geben den ganzen Plunder der Lächerlichkeit
preis. Triumphal aber sind diese Szenen nicht durch die schlichte Erfüllung
dieser Deutung, sondern durch das Insistieren auf dem immer wieder komischen
Eigensinn der Objekte. Filmsprachlich wird daraus, natürlich: Slapstick,
die sinnzerstörende Freude am Bildwerden der Tücke des Objekts.
Damit haben Celine und Julie ihre Mission erfüllt, können, das
Kind im Schlepptau, zurück in ihre magische Wirklichkeit, wo dann das
Spiel von vorne beginnt.
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