Jacques Rivette wurde 1928 in Rouen in eine Apothekerfamilie
hineingeboren. Sein Literaturstudium an der Universität von Rouen beendete
er nicht, drehte statt dessen 1950 seinen ersten (stummen) Kurzfilm
Aux quatre coins. Er arbeitete 1954 als Assistent von Jean Renoir
und Jacques Becker und kam über die Kritik und Theorie zum Film. Er
gehörte zum engen Kern der Nouvelle-Vague-Kritiker bei den Cahiers
du Cinema, deren Chefredakteur er von 1963 bis 1965 war - und sein
erster Film, den er 1958 zu drehen begonnen hatte, Paris gehört
uns, kam 1960 ins Kino, ein Jahr nach Godards Außer
Atem (Godard hat einen Auftritt in Paris gehört uns) und
Truffauts Sie küssten und sie schlugen ihn (in Truffauts Film
kommt die Familie in einer Szene beglückt aus dem Kino: sie haben Paris
gehört uns gesehen - was natürlich zeitlich unmöglich
ist).
Rivette hat seit dem kontinuierlich Filme gedreht: mit der (filmsprachlich
konventionellen, aber überzeugenden) Diderot-Verfilmung Die Nonne
hat er einen Skandal ausgelöst, Out 1 ist als einer der
längsten Filme aller Zeiten in die Filmgeschichtsbücher eingegangen,
hat aber auch nach dreißig Jahren kaum mehr als eine Handvoll
Vorführungen erlebt. Die Filme der 70er-Jahre
ziehen sich zunehmend vom Bezug zur (meist: Pariser)
Realität zurück, lassen sich in ihren Anspielungen und
verschlungenen Handlungszügen kaum mehr entschlüsseln. Anders geartet
ist der, wie schon Out 1, auf einer Balzac-Vorlage lose basierende
Film Die schöne Querulantin von 1991, der ein Kritiker-
und beinahe so etwas wie ein Publikumserfolg wurde. Sein nächster Film,
das auf statische Formen radikal reduzierte Historien-Eben-Gerade-
Nicht-Epos Johanna die Jungfrau, in dem übrigens Rivette selbst
einen Priester spielt, wurde ein finanzieller Flop, so dass die leichte
Musical-Komödie Vorsicht, zerbrechlich! mit wenig Geld gedreht
werden musste und in sehr wenigen Kopien in die deutschen Kinos kam.
Jacques Rivette ist ein scheuer Mensch, lebt in Paris und dreht weiter Filme.
Er ist ein unermüdlicher Kinogänger, sieht sich alles an und spricht
gelegentlich wohl begründete Flüche aus, etwa gegen Titanic.
Sein Film Va Savoir ist bei den Filmfestspielen in Cannes 2001 mit
freundlichen Kritiken bedacht worden, in Deutschland lief er im Juni 2002
an. Die Geschichte von Marie und Julien, die Wiederaufnahme eines
in den 70er Jahren abgebrochenen Projekts, startet in Deutschland am
26. August 2004.
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