Shinji Aoyama, der dem deutschen Publikum dank einer einzigen
derzeit durch die Republik wandernden Kopie seines vorletzten Films
Eureka wenigstens nicht völlig
unbkannt ist, nimmt sich mit seinem jüngsten, im Forum der Berlinale
als Weltpremiere gezeigten Werk Yokohama Mike - A Forest With No Name
das Hardboiled-Genre vor - und zwar als Auftakt einer Film-Reihe mit demselben
Titelhelden, die unter anderem von Kiyoshi Kurosawa und Sogo Ishii fortgesetzt
werden soll. Yokohama Mike, der Held des Films, wird schon mit den ersten
Bildern eher als übersteigertes Zitat oder als Karikatur eines zynischen
Detektivs vorgestellt denn als tatsächliches Exemplar eines solchen.
Seine Kleidung, sein Verhalten: nichts als Pose. Sein Auftrag, eine vor ihrer
Zwangsverheiratung davongelaufene Tochter zurückzuholen: nichts als
Inbegriff des Hardboiled-Klischees.
Nach den Titeln, die auf den Vorspann folgen, ist dann aber schon
Schluss mit dem klamottigen B-Movie, als das Yokohama Mike beginnt, es geht
hinaus aus der Stadt, in unbesiedelte Gegend, in eine klosterartige Kommune.
Da befindet sich die Tochter, die Mike zurückholen soll. Er will kurzen
Prozess machen, wird aber ganz gegen seinen Willen in die seltsame
Atmosphäre der von einem weiblichen Guru geführten Gemeinschaft
hineingezogen. Eigennamen sind verboten, die Mitglieder sind schlicht
durchnummeriert, es gibt keine Verbindung zur Außenwelt. Rasch beruhigt
sich hier auch der Film, die Einstellungen werden länger, Nagase Masatoshi,
der Darsteller Mikes, verzichtet auf sein wildes Gestikulieren. Seltsames
geht vor, es stellt sich heraus, dass die Mitglieder der Kommune nur aus
einem Grund hier versammelt sind: herauszufinden, was sie eigentlich wollen.
Bald fühlt sich Mike von einer mysteriösen Frau in Weiß
angezogen
Der Detektiv, der auf die Suche nach einer verlorenen Tochter geschickt
wird, verliert nicht nur seinen Namen (er wird Nummer 59), mehr und mehr
fasziniert ihn das Geschehen um ihn herum, faszinieren ihn die
Rätselsprüche der Leiterin. Das Mysterium, das ihm aufgegeben wird
wie ein Koan im Zen-Buddhismus, ist ein Baum im naheliegenden Wald ohne Namen,
der aussieht wie er. Die profane Ermittlung, mit der der Film begonnen hat,
wird unversehens zur Suche nach der eigenen Identität - alles esoterische
Brimborium, das man befürchten könnte, wird aber immer wieder
konterkariert durch den schrägen Humor und die grobkörnigen, gerade
nicht schönen, aller tieferen Bedeutung bar scheinenden Bilder.
Yokohama Mike bleibt für vielerlei Deutungen offen, Aoyama
selbst bezeichnet die Kommune als eine Art Flüchtlingslager und die
Zone, in die sein Detektiv gerät, als einen Schock-Korridor. Auch an
Tarkowskijs (ungleich genauer komponierten) Stalker fühlt man
sich erinnert - und wie bei Tarkowskij ist es gerade eine Stärke des
Films, dass am Ende vieles rätselhaft bleibt.
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