Wenn in unseren und US-amerikanischen Breitengraden Revolver und
Kameras als Geschwister gezeigt werden, dann hat man sich meistens auf
Medienkritik gefasst zu machen. In Pang Ho Chengs "You Shoot, I Shoot" gibt's
keine Ansätze dazu, im Gegenteil: das Aufzeichnungsmedium der digitalen
Kamera ist gleich doppelt wertvoll. Einerseits ermöglicht es, bei Mord
und Totschlag live dabei zu sein, und andererseits kann man in der
Nachbearbeitung noch richtig tolle Effekte hinzufügen. Und deshalb sind
Bart, der Killer, und Chuen, der Möchtegernregisseur, der an der NYU
Filmschool studiert und Martin Scorsese zum vergötterten Vorbild hat,
ein unschlagbares Team. Auch Bart übrigens hat so seine Beziehungen
zum Kino, verehrt Alain Delon als Samurai, wirft sich zur Tat in den Trenchcoat
und spricht mit dem Poster (damit wiederum zitiert Edward Pang natürlich
Woody Allens Mach's noch einmal Sam).
Die Story ist dann auch ganz einfach diese: Barts etwas exzentrische
Auftraggeberin verlangt von ihm einen Beleg dafür, dass das Mordopfer
vor seinem Tod noch über die Hintergründe seines sogleich erfolgenden
Hinscheidens informiert wird. Er selbst schnallt sich die Kamera auf die
Schulter, produziert aber nichts als verwackelte Bilder. Da kommt Chuen,
der bis dahin als Regieassistent bei Pornofilmen gedemütigt wird, gerade
recht. Er macht aus den Snuff-Videos in recht mühevoller Postproduktion
kleine Kunststücke mit Trailern, Effekten und Musik, die sich im
Inszenierungsstil von Edward Pangs eigenem Film verdächtig wenig
unterscheiden. Als inszenierte ist die blutige Wirklichkeit gleich noch mal
so schön. Problematisch wird es erst, als beim größten Auftrag
Konkurrenz auftaucht und die Wahrheit beim Reshoot auf den Kopf gestellt
werden soll.
Medienkritik also hat "You Shoot, I Shoot" nicht im Sinn, viel Ernsthaftes
jedoch, trotz der vielen Anspielungen und der Kommentare zum miserablen
Zustand des Hongkong-Kinos, ohnehin nicht. Pang Ho Cheng, der Autor
des Johnnie Tos Fulltime
Killer zugrunde liegenden Bestseller-Romans, zeigt das Hongkong-Subgenre
schlechthin, das ästhetisierte Killer-Drama, als überdrehte Farce.
Dabei ist ihm kaum ein Gag zu billig, manchmal ist das an der Schmerzgrenze,
erfreulich oft aber gerät er auch in die Nähe des raffinierten,
aus dem letzten logischen Loch pfeifenden Unsinns der Marke Zucker-Brüder.
An Anspielungen hat er hineingewurstet, was ging, von einer
John-Woo-Tauben-Parodie bis, wie erwähnt, Martin Scorsese oder Melville.
Formal ist der Debütfilm zwar ein disparates Sammelsurium mal mehr,
mal weniger bizarrer Einfälle, aber ziemlich originell. Ein großer
Pluspunkt ist die reichlich schräge Musik, die Soundtrack-CD ist den
Kauf wert.
zur Jump Cut Startseite
|