Dominik Graf : Die Freunde der Freunde (D 2001)

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Dominik Graf: Der Felsen (D 2002)

D 2002

Regie: Dominik Graf

Mit Matthias Schweighöfer, Florian Stetter, Sabine Timoteo, Jessica Schwarz

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Dominik Graf: Die Freunde der Freunde (D 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Kaum eines der Elemente, die in Henry James' Erzählung eine Rolle spielen, hat Dominik Graf ausgelassen: die Affinität, die sich zwischen zwei Personen herstellt über ihr zweites Gesicht: sie haben den Tod gesehen in der Schein-Gestalt eines Menschen, der fern von ihnen just in der Stunde der Erscheinung gestorben ist. Die beiden, einander vertraut aus Erzählungen, eng verknüpft über die Gestalt des Dritten (bei James ist es die Frau, die erzählt), begegnen sich nie bis zum Ende, in dem sich das Mysterium - unauflösbar - erfüllt, sie sehen einander in der Stunde seines Todes. Mit hineingespielt wird das bereits in der Vorlage unerläutert damit verbundene Motiv von beider Scheu vor dem fotografischen Bild ihrer selbst. Sie, die Geister gesehen haben, sind selber Geister. (Und Graf fügt einen Krimisubplot hinzu, bei dem man sich schon fragt, wozu er ihn braucht - außer zur Motivation des Todes. Und wozu braucht er die?)

Graf freilich hat die Geschichte umgesiedelt, von der Welt der Erwachsenen in die des Erwachsenwerdens. Es sind unterschiedliche symbolische Ordnungen in die einzutreten hier misslingt, wenngleich es sich in beiden Fällen um eine Ordnung der Realität handelt, die auf der Unterscheidbarkeit von Wirklichkeit und Traum, von Geistern und tatsächlich existenten Personen fußt. Diese Unterscheidbarkeit steht und bleibt in Frage, mit tödlichen Folgen: bei James kann aufgrund der Begegnung die Ehe der Überlebenden nicht zustande kommen, der Mann wird, auf immer gezeichnet vom Riss in seiner Wahrnehmung, sterben (falls wir der Wahrnehmung der Ich-Erzählerin glauben wollen). Es ist nur zu konsequent, dass Graf diese Geschichte, als Geschichte zweier Königskinder, die über diesen Abgrund der Verweigerung des Realitätsprinzips nicht zueinander gelangen, an eine andere Schwelle verlegt: jenes rite de passage, der die erste Liebe ist.

Die Passage findet nicht statt: für Billie und für Arthur. Die Tote gesehen haben und im Tod nur sich sehen können, finden einzig im Tod zueinander. Der Überlebende wird erwachsen werden über die Leiche dessen hinweg, was aus dem zeitlichen Abstand sich so zur unglücklichen Erfahrung verkleinert. Wenn Gregor vom Füreinander-Bestimmtsein redet, handelt es sich um eine blinde - aber, wenn man so sagen mag, realitätstüchtige - Verkennung der Verhältnisse, denn füreinander bestimmt und todgeweiht zugleich sind Billie und Arthur. Graf hat, dem Drama der Liebe - mit diversen Realismusmarkern im Dialog, in den Sexszenen - mehr Raum gebend als der Struktur ihrer hier fundamentalen Störung (James macht es umgekehrt), die Beziehung zwischen Gregor und Billie ins Zentrum gestellt und das Problem so konventionalisiert: die Geschichte einer unglücklichen Liebe unter Heranwachsenden. Dass Gregor seinen Glauben an die romantische Liebe nicht aufgibt, spricht geradezu für dessen gerade nicht realitätsstörende Trivialität. (Was nicht heißen muss, dass Graf uns das nicht wirklich weismachen will.)

Dass Dominik Graf seinen Film in digitalen Videobildern erzählt, ist nicht ohne Ironie. Das Authentizitätsversprechen, das einem gelegentlich als "Dogma" dieser Bilder einzureden versucht wird (nicht von den "Dogma"-Erfindern, die um die Künstlichkeit der neuen Natürlichkeit gut wussten), erweist sich hier als schlechter Witz. Wir sehen Gespenster, wenigstens: eines, die Freundin im Spiegel, in der Stunde des Todes. Es ist wie in der um 1900 florierenden Geisterfotografie (auf die James' Erzählung reagieren dürfte): technische "Fehler" produzieren den Geist als das, was über das hinaus, was man als Realität kennt, auch noch da sein könnte. Ans Licht gebracht oder produziert durchs Medium. Das "schlechte Bild" der Digitalkamera - körnig, verwaschen, unscharf, wacklig - ist ein wunderbares Geistermedium und Grafs Film weniger eine Demonstration (vgl. "Blair Witch") als ein Kommentar. Auch die Verrätselung, die in der Zoom-Präsentation von Gegenständen als Schlüsselbildern liegt (hier: die Maske, Kühe, der Schlüssel) , die sie aber nie ganz aufzuschlüsselt, ist präsent wie im umstrittenen "Felsen", aber nach innen gewendet in die Geschichte. Natürlich, die Kamera bleibt schweigend, aber zeigend beredt, die extradiegetische Erzählerstimme jedoch fehlt. Auch so aber erweisen sich diese Bilder als bloße Köder des Unheimlichen, aufgeladen mit einer Bedeutung, die der Betrachter sucht und nur im vage Geheimnisvollen ihrer Wiederkehr, nicht in einer Erklärung zu sich kommen sieht.

Das Rätsel bleibt, als Rätsel, unaufgelöst. In den Bildern findet Graf ein Finale, das nichts anderes ist als die wunderbare Umsetzung des bei James schon minutiös beschriebenen Realitätswunsches in Verbindung mit der Unmöglichkeit, zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. In den Splitscreen-Bildern des Simultanen tummeln sich, nur scheinbar Haltepunkte liefernd (auch die Zeit, ja vor allem die Zeit ist aus den Fugen), die wie die Bilder digitalen, gleichfalls geistergleichen Zeitanzeigen (der Timecode): die Einheit des Filmbilds löst sich auf in der Annäherung an die Geisterstunde, von der wir - und damit hat Graf , der sonst immer noch ein bisschen subtiler sein könnte, als er ist, ganz und gar recht - keine Bilder haben. Vom Tod dann haben wir wieder welche, aber nachträglich: der Film findet, post festum, in die Ordnung des Erzählens zurück und liefert noch den Kommentar dessen, der fürs Weiterleben taugt. Und schon deshalb nichts kapiert hat.

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