Wie in seinen späteren (und um vieles besseren) Filmen
"Dil Se" und
"Bombay" verbindet der tamilische Regisseur
Mani Ratnam auch in "Roja" die Themen Liebe und Terrorismus - ohne dass ihm
das jedoch mit jener Nahtlosigkeit gelingt, die "Dil Se" zu dem atemberaubenden
Werk macht, das es ist. Es beginnt hier nicht mit einer Liebe, deren erster
Blick nie Erfüllung findet, sondern mit einer arrangierten Beinahe-Heirat.
Rishi kommt aus der Stadt aufs (tamilische) Dorf, um eine Frau zu erwählen,
die er nie zuvor gesehen hat. Laxmi aber fleht ihn, nicht unter vier Augen,
aber unter vier Ohren an, auf sie zu verzichten: die Heirat wäre ihr
Unglück, sie liebt einen anderen. Rishi ist einverstanden, er nimmt
statt Laxmis die jüngere Schwester Roja, die von der Aktion ihrer Schwester
nichts ahnt und Rishi dafür verachtet, dass er ihre Schwester durch
die Ablehnung gedemütigt hat.
Widerwillig folgt sie ihm in die Stadt, wo er als Computerspezialist
arbeitet und von wo er bald - das Missverständnis hat sich unterdessen,
während eines Sonnenuntergangs am Strand geklärt - nach Kaschmir
kommandiert wird. Roja begleitet ihn. Er wird entführt, sie kämpft
für ihn. Das ist die ganze Geschichte, sie zerfällt ihn zwei Teile,
deren erster viel sonnendurchflutete Santosh-Sivan-Kinematografie bietet
und eine so aufregende wie aufreizende Song-and-Dance-Nummer, in der sich
Text und Bild die doppelte Hochzeitsnacht von Laxmi und Surajbal und Rishi
und Roja ausmalen. Dazu die rhythmische Musik A.R. Rahmans, der sich - in
einem seiner ersten großen Soundtracks - im weiteren Verlauf als
stilistisch überaus versatil erweist und von militaristischer Perkussion
über folkloristisches Sentiment zur großen Streicherbegleitung
alles in gleich virtuoser Weise beherrscht. Im zweiten Teil - in dem das
Dorf, der Schauplatz des Beginns, beinahe ganz vergessen wird - wechselt
das Geschehen zwischen dem Rebellenlager und Rojas Rettungsbemühungen
hin und her, ohne dabei je zwingende Spannung aufzubauen.
Die production values also sind sämtlich großartig,
handwerklich kann Ratnam wie Sivan niemand in Indien etwas vormachen. Am
aufregendsten wohl eine lange Handkamerabewegung durchs Dorf der
Kaschmir-Rebellen; strahlend schön - und fraglos kitschig - die ins
Bild gerückten Berglandschaften, Frühlingsfelder, Wasserfälle.
Dennoch bleiben die ästhetischen Reibungsflächen zu glatt: allzu
eindeutig sind die Sympathien verteilt, zu patriotisch ist der Held und sind
die Songtexte und gänzlich unüberzeugend gerät die Bekehrung
des Rebellen. Mehrfach unternimmt der Film Anläufe zum Drama, zur
Tragödie, immer rutscht er ins Klischee, in die bloße Konvention
zurück. |