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Joe Ma Wai-ho, 3. Teil

Betrachtung und sämtliche Interviewpassagen von -MAERZ- (Axel Estein)

 

Für LOVE UNDERCOVER (‘02) wählt Ma erneut Miriam Yeung für die Hauptrolle. In gewisser Weise handelt es sich um eine (Meta-) Fortsetzung von DUMMY MUMMY, da Yeung wieder den widersprüchlich-mißbegabten, in seiner liebswerten Torheit aber für die Unbedarften identifikationstechnisch clever konstruierten Underdog-Charakter LK Fong (Fong Lai-kuen bzw. Ah Kuen) spielt.

Das schusselige schwarze Schaf LK Fong ist diesmal eine Polizeianwärterin, die schon bei der Grundausbildung zu scheitern droht. Nur mit Glück wird sie in den Polizeidienst übernommen, selbstverständlich aber erst einmal nicht für aufregende Ermittlungstätigkeiten eingesetzt, sondern aufs Abstellgleis ins verschnarchte Fundbüro abgeschoben. Erst zum Lauschangriff auf den wohlgeratenen Sohn (Daniel Wu Yanzu) eines Triaden-Bosses im Ruhestand wird sie reaktiviert.

Mit den beiden Hauptcharakteren im zeugungsfähigen Alter, entspinnt sich nun eine turbulente romantische Verwechslungskomödie mit leichten Andeutungen von Action und Suspense. Die Charakterentwicklung der verschiedenen Protagonisten (auch die von LK Fong) ist ebenso lückenhaft und (in Abstufungen) unglaubwürdig wie in DUMMY MUMMY. In UNDERCOVER sind die Figuren noch etwas überzeichneter, ist die Story noch etwas comichafter - dem Film kommt das zugute. Yeung dominiert auch diesmal in jedem Moment das Geschehen.

Love Undercover

Ma möchte aus dieser tolpatschigen, etwas traumverloren-begriffsstutzigen Figur - auffällig nah an dem von dem ehemaligen Superstar Josephine Siu Fong-fong in der Comedy-Reihe LAM AH-CHUN (‘78), LAM AH-CHUN BLUNDERS AGAIN (‘79) und PLAIN JANE TO THE RESCUE (‘82) gespielten Zuschauerliebling Lam Ah-chun - ein Markenzeichen machen: "Ich mag LK Fong sehr. Ich möchte noch eine ganze Reihe von Projekten mit ihr verwirklichen. Ihr Background wird bestimmt jedesmal ein anderer sein. LK wird aber immer sie selbst bleiben. Sie hat ein gutes Herz. Sie ist ein wenig begriffsstutzig. Aber sie würde nie absichtlich jemand anderen verletzt. Die Menschen in Hong Kong mögen so jemanden wie LK Fong. Ganz egal, ob sie nun eine Krankenschwester, ein Ärztin oder eine Regisseurin ist. Sobald sie die Szene betritt, geht etwas schief. Irgendwie kriegt sie es hin, sofort in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten. Nichts wirklich Tragisches. Das sind nur Mißgeschicke, mal mehr, mal weniger groß. Mit der Hilfe ihrer Freunde - eine wichtige Komponente - schafft sie es, die Dinge wieder gerade zu biegen. Die Leute wollen wissen, wie sie das diesmal wieder schafft. Die Zuversicht LK Fongs weiterzumachen, sich nie unterkriegen zu lassen, das hat etwas Aufmunterndes für die Zuschauer. Diese positive Ausstrahlung ist ihnen ein Ansporn. Solange also Miriam bereit ist mitzumachen, wird es weitere Filme über LK Fong geben.“

Mas (exogene) Motivation zu LOVE UNDERCOVER ist ohne Zweifel die selbe wie bei fast allen seinen Filmen: kommerziell möglichst erfolgreich zu sein. Viele der hier präsentierten Gags sind nicht neu (so etwa der für ein wenig Comedy-Nostalgie sorgende Filmbeginn mit der u.a. aus der vierteiligen Reihe INSPECTOR WEARS SKIRTS [‘88 - ‘92] bekannten Polizeigrundausbildung), aber korrekt recycelt. Gleichwohl möchte Ma diesen Eindruck etwas zurechtrücken: "Eine Erneuerung des Genres der Police-Squad-Movies wie man sie aus den 80er Jahren kennt, lag nicht in meiner Absicht. Es gibt da keine Gemeinsamkeiten. Wir haben keine Inspirationen bei älteren Filmen gesucht. Ein nostalgisches Moment hatte wir nicht im Sinn. Alle Charaktere und Plot-Details von LOVE UNDERCOVER beziehen sich auf die Gegenwart, auf das Jahr 2002. Sie sind vielleicht nicht so spektakulär wie die Figuren damals. Dafür sind sie aber realer. Es sind Alltagshelden mit all ihren Unzulänglichkeiten. In bestimmten Situationen sind sie einfach nicht zu gebrauchen. Selbst wenn sie sich richtig anstrengen, erreichen sie nicht das, was sie eigentlich erreichen wollen. So wie die Menschen in Hong Kong. Eigentlich sind wie hier recht faul und überhaupt nicht so zielorientiert. Aber wir leben in einer sehr harten Konkurrenz. Also müssen wir uns die für den Erfolg nötigen Eigenschaften antrainieren. Früher war es relativ leicht, einen neuen Job zu bekommen. Diese Zeit ist erst einmal vorbei. Wer einen Job hat, der weiß, das er Einsatz bringen muß. Sonst hat bald schon jemand anders den Job. Dem entsprechen verhalten sich die Figuren in LOVE UNDERCOVER. Sie wissen, sie müssen sich anstrengen und versuchen, auch wenn das, was von ihnen verlangt wird, gar nicht so recht ihr Ding ist, sich so gut sie eben können, den Bedingungen anzupassen.“

Zum Glück verfolgt Ma jenseits einer unter diesen Aspekten ansatzweise gelungenen, aus lustigen kleinen Situationen zusammengebauten, möglichst oberflächlichen Unterhaltung keine weiteren (endogenen) Absichten. So entsteht ein flotter, wendiger Schönwetterfilm ohne jeden Tiefgang, der schon bei nur leicht rauheren Bedingungen sofort Schlagseite bekommen würde. Mas Bestreben ist es daher, die Gags funktional und präzise auszuführen und dabei auf ein straffes Timing zu achten. Wenn die Inszenierung an einigen Stellen durch Plot-Holes holprig wird, dann liegt das daran, daß Slapstick und Situationskomik die Strukturprinzipien sind, denen sich die Handlung unterzuordnen hat. So bleibt in vielen Fällen der szenische Aufbau eine Funktion des komischen Effekts (z.B. wenn es im Off Dresche setzt und dabei durch die geschlossene Tür schallert: "Don’t hit my penis!"). Das hebt die Stimmung, bringt Plot und Dramaturgie aber nicht wirklich voran.

Anderseits ist das von Ma (bis auf seine historische Kostümkomödie LAWYER, LAWYER von ‘97 mit dem Mo Lei Tau-Comedy-Superstar Stephen Chow Sing-chi in der Hauptrolle schon immer bevorzugte) und von vielen anderen inzwischen verfolgte, modernere Screwball- und Sitcom-Konzept nach US-amerikanischem Vorbild dramaturgisch dichter als das der seit Mitte der 90er Jahre aus der Mode gekommenen MLT-Komödien, die in den wenigsten Fällen mehr als reine Gag-Kluster sind. Laut Ma ist MLT nicht mehr zeitgemäß und zu wenig kontrollierbar: "Mo Lei Tau ist ganz klar out. Das ist auch ganz gut so, denn diese Art Komödien haben mir nie gelegen. Ich hätte Probleme damit, einen ganzen Film mit Mo Lei Tau-Gags zu füllen. Ich glaube an die Story, die ist für mich das Wichtigste. Komödien, die sich zu sehr auf Mo Lei Tau verlassen, geraten schnell aus der Spur. Die Zuschauer lachen, aber sie haben kein Ahnung, was als nächstes kommen wird. Es ist besser, wenn sie einer Erzähllinie folgen können. Der Aufbau ist für mich bei Mo Lei Tau-Komödien das grundsätzliche Problem. Es ist in Filmen diese Genres sehr schwierig, Spannungsbögen aufzubauen. Man ist zu sehr auf den Unsinn fixiert. Mir ist wichtig, daß ich mit einer guten Story die Handlung immer weiter vorantreiben und schneller und schneller machen kann, ohne daß das Publikum irgendwann den Faden verliert, wie das bei Mo Lei Tau-Komödien sehr oft passiert. Mo Lei Tau-Komödien fehlt oft einfach die Substanz. Hinterher ist es schwierig, sich daran zu erinnern, was eigntlich los war und worum es überhaup ging. Das ist wohl einer der Hauptgründe, warum das Publikum nicht mehr an Mo Lei Tau interessiert ist.“

Summer Breeze of Love Man muß kein Hellseher sein, um zu erraten, daß Mas folgender Film SUMMER BREEZE OF LOVE ('02) wieder eine romantische Komödie ist. Die Hauptrollen in diesem Teenager-Film sind publikumswirksam mit den beiden Mädels der Mini-Gilrgroup "Twins", Charlene Choi Cheuk-yin und Gillian Chung Yan-tung, sowie als ihren männlichen Gegenparts mit den beiden Jungs des extrem angesagten Gesangsduos "Shine", Tsui Tin-yau und Wong Yau-nam, besetzt. Ein Erfolg ist auf diese Weise vorprogrammiert. Die Chancen, als auf derartige Genre-Attacken unvorbereiteter, postpubertärer Zuschauer ohne zeitweilige, hormonell bedingte örtliche Anästhesie der Großhirnrinde SUMMER BREEZE unbeschadet zu überstehen, sind allerdings denkbar schlecht. Bei der historischen Kostümkomödie THE LION ROARS ('02) verfährt Ma in puncto Besetzung ähnlich pragmatisch.

Beide Filme laufen vergleichsweise erfolgreich in einem sehr publikumsschwachen Umfeld weiterer HK-Produktionen. LION startet im selben jährlichen Programmfenster wie der finanziell verunglückte FUNERAL MARCH aus dem Vorjahr. Daß einem Routinier wie Ma beim Stecken seiner Erfolgsmatrix der selbe Fehler zweimal unterlaufen sollte, wäre zuviel verlangt.

(Dies ist ein kleiner Auszug aus dem Artikel "Ma Wai-ho, Joe“, der in dem umfassenden Kompendium SCREEN ON FIRE - DAS NEUE HONG KONG KINO mit mehr als 4000 biografischen Einträgen, zumeist kompletten Filmografien, Werkeinschätzungen, Reviews sowie zirka 60 umfangreichen Interviews [irgendwann] erscheinen wird.)

-MAERZ- (Axel Estein)

FUNERAL MARCH (Hong Kong, 2001)

Regie: Joe Ma Wai-ho

Darsteller: Eason Chan Jik-shun, Charlene Choi Cheuk-yin, Kenneth Tsang Kong, Liu Kai-chi, Shaila Chan Suk-lan, Fung Wai-hang, Candy Lo Hau-yam u.a.

 

DUMMY MUMMY, WITHOUT A BABY (Hong Kong, 2001)

Regie: Joe Ma Wai-ho und Albert Mak Kai-kwong

Darsteller: Miriam Yeung Tsin-wah, Edison Chan Koon-hei, Hui Shiu-hung, Wayman Wong Wai-man, Sam Mei, Moses Chan Ho, Chor Yuen (Cameo), Cheung Tat-ming (Cameo) u.a.

 

LOVE UNDERCOVER (Hong Kong, 2002)

Regie: Joe Ma Wai-ho

Darsteller: Miriam Yeung Tsin-wah, Daniel Wu Yanzu, Wayman Wong Wai-man, Sam Mei, Raymond Wong Ho-jin, Hui Shiu-hung, Eilene Tsa Siu-yan u.a.