Kurzkritik: Team America (Trey Parker, USA 2004)
Dass das liberale Amerika hier in den Arsch gefickt wird: das wäre noch
freundlich gesagt. Zu lernen ist jedenfalls, wie der Widerstand gegen das
politisch Korrekte flugs in eine rechts gestrickte Mischung aus
körpersekretalen Kruditäten und durch Travestie ganz prinzipiell
nicht zu camouflierenden Patriotismus kippt. Die reaktionäre
Vernichtungslust gerät zum Fürchten, über der finalen
Hollywood-Schlachteplatte und nicht dem Vehikel, aber sehr wohl dem Tenor
der verwendeten Fotzen-, Schwanz- und Arsch-Metaphorik sollte auch dem
tolerantesten Liberalen das Kichern vergehen. Ein so nationalistischer wie
militärfreundlicher Erbauungsfilm mit cleverer Zielgruppenansprache.
(EK)
Kurzkritik: Errol Morris: The Fog of War (USA
2004)
Dass ein Wort mehr sagt als tausend Bilder: das kann man von Errol
Morris lernen, der es nicht weiß und uns dafür büßen
lässt. Dass einer wie Robert McNamara in seiner aalglatten Ambivalenz
weder neckische Grafiken zur Illustration braucht noch das minimal
pathos der Musik von Philip Glass: das kann man von Errol Morris lernen,
der es nicht weiß und uns leiden lässt. Dass einer lieber selber
denkt und lieber selber Widersprüche aushält als von aufdringlichen
Metaphern erschlagen, mit zu ziehenden Schlüssen drangsaliert und sonst
rundum mit Tiefsinn bespaßt zu werden, das glaubt Errol Morris nicht.
Eben darum ist "The Fog of War" ein sehr lehrreicher Film. (EK)
E. Elias Merhige: Suspect Zero (USA 2004)
Serienkiller-Killer-Film mit einem Helden namens Mackelway. Ihm auf
den Fersen ist Ben Kingsley als sein outriertes Darsteller-Selbst, nur
gelegentlich als Schatten eines Vampirs. Ein Auge ohne Lid als Leitmotiv
und die Killer sterben, weil ihr Killer zu sehen gelernt hat, was er nicht
ertragen kann. Es gibt Momente, in denen das Spiel mit den Bildsorten als
Wissenssorten mehr scheint als Spiel mit Stil. Das Genre aber fuhrwerkt,
letztlich fatal, dazwischen. Am Ende geht's in die Wüste: nichts als
ein dummes Indianermystik- Klischee. (EK)
Start: 14.10..2004
Kurzkritik: Das Urteil (Gary Fleder,
USA 2004)
John Cusack, der sich in eine Jury einschleust, des Geldes wegen,
wie es scheint. Aber wir kennen doch John Cusack, und John Grisham auch,
dessen Tabakindustrieplot hier zum Waffenindustrieplot verschärft wurde.
Der Dreh des ganzen, in die eine, dann in die andere Richtung, ist
haarsträubend, übers Recht lernen wir auch nichts Rechtes, aber
Gene Hackman zuzusehen, ist ein großer Spaß, sogar Dustin Hoffman
ist zu ertragen. Was ist allerdings aus dessen Scott-Turow-Verfilmung geworden?
(EK)
Kurzkritik: Peter und Bobby Farrelly: Unzertrennlich (USA
2003) |
Die Farrellys sind nicht Schlingensief und Hollywood ist nicht die
Volksbühne. Matt Damon und Greg Kinnear sind keine siamesischen Zwillinge
und nur einer von ihnen ist ein guter Schauspieler. Ein Frank-Capra-Film:
The Tenors go to L.A. Ein Märchen. Ein nettes Märchen. Ein
nettes Märchen über Freaks. Ein nettes Märchen über nette
Freaks. Respekt vor Cher. (EK)
Kurzkritik: Peyton Reed: Down With Love
(USA 2003) |
Das Kluge daran: Ein Pastiche, das an keiner Stelle nachgibt. Ans
Sentiment, an eine Tiefe, die nur Verrat wäre an der Oberfläche,
an der hier, in der hier alles liegt. Eine Oberfläche des Designs, der
Kleider, der Klischees, der Darsteller. All das: ein einziger Triumph der
Künstlichkeit. Die schlechten Witze gehören dazu, Renée
Zellweger gehört dazu. Fun, plain fun und schlau dazu.
(EK)
Kurzkritik: Raymond Depardon: Vom Westen unberührt (F
2003) |
Wo kommt die Schönheit der Bilder her und wo will sie hin? Ein
Fotoroman in der Wüste, in Schwarz und Weiß. Die Kühnheit:
Sich, ohne Vorbehalt, auf die andere Seite begeben, aber kann das gelingen?
Scheitert das nicht am Klischee, das im Kopf bleibt und im Bild. Steckt in
Alifa nicht etwas vom edlen Wilden, das aus ihm nicht herauszutreiben ist?
Vielmehr: aus uns, aus unserem Blick. Und die Schönheit
der Bilder: Wo kommt sie her, wo will sie hin? (EK)
Kurzkritik: Sebastian Winkels: Sieben Brüder
(D 2003) |
Reduktion ist der Trick. Sieben Brüder auf einem Stuhl in einem
Raum. Erzählen lassen, kein Zinnober: nicht mit der Kamera, nicht im
Erzählen und ja, sogar die Zwischentitel hätte es nicht gebraucht.
Oral history, kleines Fernsehspiel, die Klugheit in der Zurückhaltung.
(Hier findet der Schauder vor Knopp sein Gegenbild.) Menschen, lebensgroß.
Nichts ist spannender. (EK)
Revolutions (USA 2003)
Es ist vollbracht: Von in produktiver Weise unverdautem Baudrillard
zu nur zu gut verstandenem Hermann Hesse, von der Verschmelzung von Action
und cyberphilosophischen Darstellungsfragen zum eschatologischen Dialogmurks
im Schlabberpulli. Von ästhetischem und philosophischem state of
the art zum lächerlichen Rückfall ins Hergebrachteste, von
geschickt balancierten Fragen zu törichten Antworten. Das, so
viel ist sicher, macht den Wachowskis so schnell keiner nach.
(EK)
Kurzkritik Hulk (Ang Lee, USA
2003) |
Ang Lee und seine drei Drehbuchautoren nehmen das ungewöhnliche
Äußere des Hulk als Anzeichen für ein Inneres, psychoanalysieren
so ins Grüne hinein, mit Urszene, auf Dauer verklemmtem Begehren und
sublimieren damit hinterrücks, was als Comic gerade der krassen
Veräußerlichung wegen seine Reize hat. Außerdem nicht verstanden
hat Ang Lee, dass der Comicpanel der medienkonstitutive Kompromiss zwischen
Sequenzialität und Simultaneität ist. Die blassen, am Anschein
haftenden Imitationen sind daher ohne Sinn, nichts als manierierter
Schnitt-Unfug. Verkorkste Angelegenheit, lähmend lang. (EK)
Kurzkritik Filmfest München:
Peter Sollett: Long Way Home (USA 2002)
Lower East Side, New York City. Eine handvoll Jugendlicher, allesamt
Hispanics aus ärmlichen Verhältnissen, machen ihre ersten Erfahrungen
mit dem anderen Geschlecht. Long Way Home ist eine kleine Low-Budget
Produktion, ein Erstlingsfilm des 27-jährigen Peter Sollett, dessen
Kurzfilm Five Feet high and rising vor zwei Jahren in Cannes
mit dem Jurypreis ausgezeichnet wurde. Allerdings, auch wenn man dem
sympathischen Film mit viel Wohlwollen gegenübertritt, die zeitweise
arg wacklige Handkamera nervt zuweilen, von Dramaturgie kann kaum die Rede
sein, die Figuren bleiben erschreckend flach. Der Mikrokosmos in dem sich
die Protagonisten bewegen ist bewusst eng gewählt. Ich kann mich an
keine einzige Totale erinnern, genauso wenig an eine wirklich intensive Szene.
Alles plätschert unaufgeregt dahin, die Einblicke in das soziokulturelle
Umfeld halten sich auch in Grenzen. Kein Film den man gesehen haben muss.
(Thomas Reuthebuch)
Kurzkritik Sein und Haben (Nicolas Philibert,
F 2002) |
Angesichts
der nie auf Niedlichkeits- bilder verfallenden Liebe, die Philibert dem
Dorfschullehrer wie den Kindern entgegenbringt, kann man sich höchstens
fragen, ob die Ersetzung aller gesellschaftlichen Bezüge durch die
rhythmisierende Rückbindung an Natur notwendig gewesen wäre. Vor
allem aber sieht man gerne zu und klüger wird man auch, auf ganz
unpädagogische Weise. (EK)
Kurzkritik: Triple X (Rob Cohen, USA
2002) |
Nach "The Fast and the Furious" erneut Exploitation Kino von Amerikas
Adrenalinjüngern. Regisseur Rob Cohen, Multitalent Vin Diesel und Produzent
Neal H.Moritz attackieren den Bond Mythos und bilden ihn, massenkompatibel,
für die Funsport- und Videogamegeneration ab. Was in den 50er Jahren
Ausdruck einer tief verwurzelten Sehnsucht nach Spaß als Gegenkonzept
zur autoritären Erwachsenenwelt war, ist heute larger-than-life
Merchandising, bevölkert von Zombies, Vampiren und Superhelden, verkleidet
in Menschengestalt. Der Humor bleibt krude, die Dialoge grenzdebil, mit einem
sorgfältig ausgearbeiteten Plot hält man sich nicht lange auf.
Immerhin schepperts gewaltig und die Stunts sind mit einem Wort: hilarious!
(TR)
Kurzkritik: Signs (M. Night
Shyamalan, USA 2002) |
Ein Priester (Mel Gibson) verliert seine Frau, zugleich den Glauben
an Gott. Sein Bruder, seine Kinder und vor allem die Aliens helfen ihm, ihn
zurückzugewinnen. Krudes Machwerk mit suggestivem Beginn und gelegentlichen
starken , sogar komischen Momenten, wenngleich mehr unfreiwilligen als
freiwilligen. (EK)
Kurzkritik: Startup.com (Jehane Noujaim,
Chris Hegedus, USA 2001) |
Startup.com ist eine Enttäuschung, in jeder Hinsicht.
Ein Dokumentarfilm über den schnellen Aufschwung und das noch schnellere
Scheitern eines New-Economy-Startup- Unternehmens, aus dem man nichts lernt:
da müssen sich die Macher schon sehr dämlich angestellt haben.
Haben sie. Für das Konzept der Firma govWorks.com - ein Portal
bereitzustellen, auf dem Bürger u.a. ihre Strafgelder bei Behörden
bezahlen können - interessieren sich Jehane Noujaim und Chris Hegedus
so wenig wie für die Dynamik ihres Aufbaus (hilflos werden nur die Zahlen
der rasch wachsenden Angestellten eingeblendet) und die Gründe, aus
denen alles den Bach runter geht. Genauer gesagt, sie suchen die Gründe
an der falschen Stelle, bei den beiden Erfindern der Firma, Tom und Kaleil.
So wird der Dokumentarfilm zur reinen Personality-Show zweier herzlich
uninteressanter Menschen. Nichts als human touch hatten die beiden
Macherinnen im Sinn, vor allem: nichts anderes begreifen sie. Und nichts
anderes wollen und können sie sehen und produzieren. Geschnitten und
inszeniert ist das ganze als Spielfilm-Imitat, eine nur konsequente
ästhetische Dummheit. Alles in allem: das Musterbeispiel dafür,
wie man Dokumentarfilme auf keinen Fall machen sollte. (EK)
Kurzkritik: Avi Mograbi: August (Israel 2001) |
August besteht aus Doku-Aufnahmen aus dem
aufgeheizten Tel-Aviver-Alltag und aus fiktiven Szenen, in denen Mograbi
in hübschen Splitscreen-Sequenzen sich, seine Ehefrau und seinen Produzenten
auftreten lässt, alle gespielt von ihm selbst. Ein böser, respektloser,
darin auch kämpferischer Film mit Sinn für grotesken Humor
und Avi Mograbi als einer Mischung am ehesten aus Michael Moore und Nanni
Moretti. Sehenswert und sympathisch. (EK)
Kurzkritik: Episode II: Angriff der
Klonkrieger (USA 2002) |
Der Angriff der Klonkrieger ist, noch einmal mehr als der
erste Teil der neuen Trilogie, in
einem ernst zu nehmenden Sinne kein Real-Film mehr: sondern digitale Vernichtung
des Raums unter (vollends ideologischer) Wahrung seines falschen Scheins.
Eher ein Anime, in dem einem jedoch nicht nur die Schauspieler hoffnungslos
alteuropäisch vorkommen, sondern auch die wie stets auf eigentümlich
prätentiöse Weise höchst infantile Geschichte (mit atemberaubend
dämlichen Groschenheft- Dialogen). Vor allem aber ist nicht zu fassen,
dass Lucas aus den fast unbegrenzten Möglichkeiten seiner Digitaltechnik
nichts zu schlagen weiß als Kitsch un |
Kurzkritik: Wong Kar-Wei: 2046 (Hk 2004)
Eine Träne ist eine Träne ist eine Träne: Pathosformel.
Christopher Doyle malt sie den Frauen, all den Frauen und dem Film von Wong
Kar-Wei ins Gesicht. Die Gesichter trägt er auf eine Leinwand auf, deren
Breite ins Klaustrophobische geht und komponiert sie zu Bildern von
tiefenschärfelose Oberflächlichkeit, die so leer sind wie
Schönheit nur sein kann. Die Liebe im Wiederholungszwang, die Erinnerung
an die Zukunft, das verliert sich in Gängen, im Hotel, im Blick über
die Schulter, in Flächen, Wänden, Spiegeln, die Jahre, die Zahlen,
die Zeit, sie geben sich bedeutungsvoll und tun doch nichts zur Sache.
Flüssiger Marmor auf Gips, daneben Melancholie-Legierung mit Dialogen
und Voice-Over- Texte, die zwischen dem Prätentiösen und dem
Dümmlichen oszillieren. Aller Schmerz erborgt, behauptet, kein Gefühl,
nirgends. Eine Träne ist eine Träne ist eine Träne. Aus dem
Wasserhahn. Wer diesem Film etwas abspürt, muss ein Herz aus Plastik
haben.
|