Der Sturm, der uns zwischen den hohen Bankenburgen und
Arthäusern beinahe zu Boden drückt, scheint perfekt zu diesem Festival
zu passen, welches seit zweieinhalb Tagen bereits auf Hochtouren läuft.
What is Cinema? lautet in diesem Jahr das Festivalmotto
und bezeichnenderweise bedeutet das in Rotterdam, die in den letzten Jahren
so agile Music Clip-Kultur in den Fokus zu nehmen. Neben verschiedenen
thematischen Zusammenstellungen gab es von Künstlern wie Spike
Jonze oder Michel Gondry kleine Retrospektiven zu sehen, im nahen
Architekturmuseum lief die begleitende Ausstellung Clip City.
Hauptziel dieses Festivals scheint es zu sein, voller abenteuerlicher
Begeisterung neue Strömungen zu erkunden und dabei aufregende Entdeckungen
zu machen. Vor allem für das neue asiatische Kino hat man sich
dabei in den letzten Jahren sehr stark gemacht und Künstler wie Kiyoshi
Kurosawa (in diesem Jahr mit PULSE vertreten) oder Kinji Fukasaku
(BATTLE ROYAL) für den Westen entdeckt. Hier wurde bereits vor zwei
Jahren Takashi Miike (AUDITION) mit einer größeren Werkschau
geehrt und auch in diesem Jahr war der Meister wieder himself vor
Ort und brachte gleich vier neue Filme mit nach Rotterdam.
Ein anderer Schwerpunkt scheint klar auf dem gezielten Fördern
neuer Talente zu liegen. Hierfür wurde vor allem der Hubert Bals Fund
gegründet, der alleine in diesem Jahr 22 geförderte Filme, teilweise
noch als Work in Progress-Versionen, zeigte.
Der dritte Schwerpunkt - und gerade das macht dieses Festival so
sympathisch - verfolgt ganz klar das Ziel, das Publikum mit Filmen zu versorgen,
die teilweise bereits im letzten Jahr auf anderen Festivals wie Cannes oder
Venedig für Furore sorgten, beispielsweise den Venedig-Gewinner
HUNDSTAGE, Kim Ku-duks meisterlichen ADRESS UNKNOWN oder sogar
Lynchs MULHOLLAND DRIVE. Den Festivalmachern scheint es sehr viel wichtiger
zu sein, einen interessanten Film im Programm zu haben als für irgendwelche
Mainstreamstars den roten Teppich auszurollen, und das Publikum dankt es
ihnen, überraschender Weise, mit großer Begeisterung. Schauspieler
sieht man kaum, dafür bietet sich reichlich Gelegenheit, interessante
Gespräche mit den Filmemachern zu führen. Nicht nur verfügt
jedes der Festivalkinos über einen größeren Loungebereich,
welcher reichlich Gelegenheit bietet, mit Leuten wie Mike Figgis
(LEAVING LAS VEGAS), Takashi Miike, Peter Greenaway oder
Ulrich Seidl (HUNDSTAGE) ins Gespräch zu kommen; die zahlreich anwesenden
Regisseure stellen sich auch nach den Vorführungen meistens noch den
Fragen des Publikums und ich bin wirklich noch auf keinem Festival gewesen,
bei dem vom Publikum so intelligente Fragen gestellt wurden -
worauf sich anschließend viele interessante Diskussionen zwischen Publikum
und Filmemachern ergeben haben. Überhaupt habe ich weder in Cannes,
München oder Berlin jemals ein so interessiertes und offenes Publikum
beobachten können. Dass hier ein anderer Geist weht, merkt man schon,
wenn man im örtlichen Mediamarkt in die DVD-Abteilung schlendert und
die vier am besten platzierten Neuheiten dort MAGNOLIA, AMORES PERROS (im
übrigen ebenfalls eine Rotterdam Entdeckung), BAISE MOI und AUDITION
sind. Klasse.
Zu den einzelnen Filmen, je zwei Tage auf einer Seite:
1.
Tag
Michel Gondry, French New Wave, h'artCORE
2. Tag
Le Pornographe, From Hell, Spike Jonze,
Time Code Remix
3.
Tag
Hotel von Mike Figgis, Hundstage, Fat
Girl, Avalon
4. Tag
Kiyoshi Kurosawa: Pulse, Kim Ki-duk mit Adress Unknown,
Sex and Lucia und Ichi der Killer von Takashi Miike
5.
Tag
Nochmal Takashi Miike
6. Tag
Banned Videos, Millenium Mambo von Hou Hsian-sien, Sonic Animation
und ein weiteres Mal Takashi Miike
7.
Tag
Music Videos von Spike Jonze und Mike Mills, Bully von Larry
Clark
8. Tag
Claire Denis' Trouble Everyday
zur Jump Cut Startseite
|