Tag 5:
The Happiness of the Katakuris / Katakri-ke no koufuku (Japan 2001
/ Regie: Takashi Miike)
Nach eigenen Worten quasi eine Fortsetzung zu dem (ebenfalls in
Rotterdam
gezeigten) VISITOR Q, überrascht Takashi Miike erneut mit einer
haarsträubenden Familiengeschichte, dieses mal allerdings im Gewand
eines absurden Musicals (inklusive eingebauter Karaokenummern). Einmal mehr
wird uns eine durch den gesellschaftlichen Zusammenbruch auseinandergerissene
Familie präsentiert, die sich hier jedoch aus eigener Kraft befreien
kann.
Nachdem der Familienvater seinen Job verloren hat, beschließen
die Katakuris, auf dem Land ein kleines Hotel aufzumachen. Ihren ersten Gast
finden sie jedoch prompt aufgehängt über dem Bett baumeln. Da dies
das Ende ihres ohnehin nicht gerade florierenden Betriebes bedeuten könnte,
beschließen sie, ihn hinter dem Haus zu verscharren, doch weitere absurde
Schicksalsschläge und Verwicklungen lassen nicht lange auf sich
warten.
THE HAPPINESS OF THE KATAKURIS mag einzelne Elemente asiatischen Humors
besitzen, die auf westliche Betrachter eher befremdlich wirken, doch
auch dann noch fällt es ausgesprochen schwer, sich von Miikes vor
Kreativität sprühendem Film nicht gefangen nehmen zu lassen. Neben
den schon erwähnten, mit viel Liebe zum Detail inszenierten Musical-
und Tanzeinlagen, baut Miike dieses mal immer dann, wenn die Geschichte die
Grenzen des Darstellbaren zu überschreiten droht, sogar längere
Szenen mit Knetanimation in seinen Film ein. Gibt es eigentlich irgendwas,
was dieser Wahnsinnige nicht beherrscht?
Tag 6:
Unseen and Unclean: Banned Videos
Clip-Compilation, die einige sehr interessante ältere Clips,
wie den selten gezeigten Soft Cell-Clip Sex Dwarf enthielt, in welchem
ein leicht bekleideter Marc Almond zu sehen ist, wie er eine Kettensäge
über einer auf einen Tisch gefesselten Nackten schwingt. Die explizite
Bildsprache des Hardcore-Films, wie sie im europäischen Kino derzeit
gerade auf dem Vormarsch zu sein scheint, findet sich hier vor allem in einigen
neueren Beispielen aus der Elektroszene wieder, wie dem Add N to X-Clip Plug
Me In, der zwei Hardcoremodels beim Hantieren mit verschiedenen Dildos
zeigt oder dem wunderbar ausgelassenen Prodigy-Clip zur Hitsingle Smack
My Bitch Up, der einen im Zeitraffer auf das Wildeste durch die Nacht
von London jagt.
Im Gegensatz zu den anderen hier gezeigten Compilations, enthielt
diese zusätzlich Interviewschnipsel mit den Machern.
Millennium Mambo / Chie shi man po (Taiwan / Frankreich 2001 /
Regie: Hou Hsiao-hsien)
Etwas böswillig gesagt vielleicht endlich genau der Film
für alle diejenigen, denen Wong Kar-Weis visueller Erzählstil in
FALLEN ANGEL und CHUNGKING EXPRESS immer zu schnell gewesen ist. Nicht nur
das urbane Setting stylischer Clubs und wunderbar ausgeleuchteter Wohnungen,
der Musikeinsatz oder die Darstellung von unglücklicher Liebe erinnert
stark an den Meister aus Hongkong, nein, auch die seltsam schwebende, wunderbar
melancholische Offerzählerstimme findet sich hier wieder. Nur wird eben
alles in langen, ruhigen Einstellungen erzählt.
Hou Hsiao-hsien, der in Rotterdam in diesem Jahr auch den Juryvorsitz
für den Wettbewerb übernommen hatte, als reinen Imitator zu bezeichnen,
fällt dennoch schwer, stimmt hier doch einfach jedes Bild. Mit MILLENNIUM
MAMBO ist ihm vielleicht sogar der schönste Film dieses Festivals
gelungen.
Sonic Animation
Es gibt zwei große Klischees in animierten Music Videos, die
man nach dieser 90 minütigen Compilation wirklich nicht mehr sehen
möchte:
Erstens Wasser, welches durch die Wohnungen der Protagonisten flutet
(subtiler Weise aus Fernsehern oder Lautsprecherboxen natürlich), um
diese in bunte Unterwasserwelten zu spülen, in denen Seepferdchen und/oder
Delphine ein drogeninduziertes Unterwasserballett vollführen.
Zweitens müssen beinahe ausnahmslos immer die Köpfe der
performenden Bandmitglieder als übergroße Schnittschablonen auf
irgendwelche kleinen Animationskörper montiert werden.
So was kann einen nach sechs Tagen und achtzehn Filmen irgendwie schon
ein klein wenig aggressiv werden lassen.
Agitator / Araburu tamashii tachi (Japan 2001 / Regie: Takashi
Miike)
Seltsamer
Weise der meistgehasste und doch schönste Miike-Film dieses
Festival. Gehasst vor allem deswegen weil Miike dieses mal eben scheinbar
genau das Gegenteil von dem tut was viele wohl erwartet hatten. AGITATOR
ist ein zweieinhalb Stunden langer, lupenreiner Yakuzafilm, und zwar
einer in dem weder Leichen geschändet noch Atombomben gezündet
werden, ja man kann nicht mal behaupten der Film würde zu den eher blutigen
Vertretern seines Genres gehören; so dass bei denjenigen, die einen
weiteren DEAD OR ALIVE bzw. ICHI THE KILLER erwarteten die Enttäuschung
entsprechend groß schien.
Statt dessen nun also ein eher ruhiger Ensemblefilm, der mit
detailverliebtem Blick die Männlichkeitsrituale seiner Figuren seziert.
Hier stimmt jede noch so kleine Geste, jedes verächtliche Grunzen. Man
ist beinahe versucht den großen GODFATHER-Vergleich zu ziehen, doch
sehr viel wahrscheinlicher standen hier die Arbeiten des großen Kinji
Fukasaku (FIGHT WITHOUT HONOR AND HUMANITY) Pate. Es bleibt schlicht
weg unerklärlich wie Miike eine derart präzise und gleichzeitig
epische Arbeit innerhalb so kurzer Zeit fertig stellen konnte (AGITATOR war
alleine im vergangenen Jahr sein siebter Film und er hat seitdem, wie er
zu berichten wusste, bereits schon wieder drei neue fertig, an denen
er momentan back-to-back schneidet).
Miike selbst hat in AGITATOR einen ebenso wunderbaren wie kurzen
Gastauftritt. In der vielleicht einzigen, etwas bizarren Szene des Films
löst er als blonder, durchgeknallter Killer einen Bandenkrieg aus, als
er in einem Karaokeclub einem der Mädchen das Mikrofon in den Hintern
schiebt.
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