Tag 7:
What´s Up, Fatlip (USA 2001 / Regie: Spike Jonze)
Lustige Interview-Doku über den Rapper Fatlip (ein ehemaliges
Mitglied von The Pharcyde), die entstand, als Jonze für
den Rapper einen Clip drehte, in welchem Fatlip verschiedene, sein Image
unterlaufende Charaktere zum Besten gab. Jonze und Fatlip schaukelten sich
dabei gegenseitig derart hoch, dass am Ende gut 11 Stunden Material
zusammenkamen, die von Jonze dann zu diesem rund 30 minütigen Feature
zusammengeschnitten wurden.
Paperboys (USA 2000 / Regie: Mike Mills)
Mills dürfte derzeit der wohl gründlichste Chronist der
amerikanischen Suburbidylle sein. In seinem rührenden Clip zu dem Air-Song
All I need, der bereits den gleichen dokumentarischen und doch
stilisierten Ansatz verfolgt wie PAPERBOYS, gehört sicherlich zu den
interessantesten Music Videos der vergangenen Jahre. In PAPERBOYS
porträtiert er nun eine Gruppe von Jungs, die sich ihr Taschengeld mit
dem Ausfahren von Zeitungen verdienen. Besonders interessant daran ist wie
Mills den Jungs scheinbar unkommentiert Raum gibt ihre Welt zu erklären,
auf der Bildebene gleichzeitig aber in wunderbar unaufdringliche Weise einen
regelrechten Kosmos detailverliebter Stilisierung betreibt, der an die besten
Arbeiten des Malers Edward Hopper erinnert.
Bully (USA 2001 / Regie: Larry Clark)
Von all den grenzüberschreitenden in Rotterdam gezeigten Filmen
stellt Clarks neueste Arbeit über verlorene amerikanische Kids seine
Tabubrüche am selbstbewusstesten, aber dabei auch am aufgesetztesten
zur Schau. Hier wird kein Auto bestiegen, ohne dass eine Flasche Hochprozentiges
die Runde macht, der Joint am Armaturenbrett ausgedrückt und dabei
mindestens zwei Acid-Trips eingeworfen werden. Dennoch entwickelte diese
Geschichte um ein paar Freunde, die beschließen, einen aus ihrer Reihe,
der die anderen mit seinem unkontrollierten Sadismus quält, auf grausame
Art und Weise zu töten, einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann
und der einem beinahe noch näher geht als der dieser Arbeit vorangegangene
KIDS. Mehr noch als der einige Tage zuvor gezeigten FAT GIRL von Catherine
Breillat nimmt Clark seine jungen Figuren sehr ernst und verlangt seinen
Darstellern dabei einiges ab, ohne sie jedoch vorzuführen.
Clark selbst taucht kurz als Vater einer der Jungs auf (mal wieder
großartig: Leo Fitzpatrik aus KIDS) und beeindruckt mit böser
funkelnder Ausstrahlung, die deutlich macht, wie es ihm gelingt, Filme wie
diesen aus dem Boden zu stemmen.
Tag 8:
Trouble Everyday (Frankreich 2001 / Claire Denis)
Der
Skandalfilm der vergangenen Filmfestspiele in Cannes entpuppte
sich leider als größte Enttäuschung dieses Festivals. Denis
unfreiwillig komisches Kannibalendrama gehört zu den Beispielen
europäischen Kunstkinos, die einen dazu verleiten können,
diesem Genre endgültig abzuschwören. Es mag die Absicht Claire
Denis gewesen sein, durch sperrige Erzählweise das sowieso schon permanent
bedeutungsschwanger wabernde Pathos dieses Rührstücks noch zu
verstärken. Dumm nur, dass dadurch immer alles nur behauptet wirkt und
Figuren zu lächerlichen Schablonen halbangedachter Ideen degradiert
werden.
Der ansonsten hoch geschätzte Vincent Gallo darf einen amerikanischen
Wissenschaftler mimen (was, gelinde gesagt, an und für sich schon etwas
unglaubwürdig erscheint), der auf der Hochzeitsreise nach Paris (wunderbar
verwackelte Panoramaschwenks über das Seineufer inklusive) versucht,
seines sich in theatralischen Blutträumen Raum verschaffenden Kannibalismus
Herr zu werden. Dabei stößt er auf die ansonsten nicht minder
großartige Béatrice Dalle, die bereits hin und wieder mal einen
LKW-Fahrer leichtbekleidet von der Autobahn lotst, um ihn im Scheinwerferlicht
der vorbeihuschenden Fahrzeuge in Stücke zu reißen.
Dann gibt es da noch ein Zimmermädchen, das irgendwie keinen
Bock aufs Bettenmachen zu haben scheint und verträumt auf einen, mit
der Mona Lisa bestickten Schal starrt. Vielleicht träumt sie ja davon,
einmal den Louvre zu besuchen?
Erfrischend komisch die Szene, in der Vincent Gallo mit einem kleinen
Hundepuppy unter der speckigen Lederjacke in der Metro eine ältere
Geschäftsfrau begrapscht, was eine ihm dabei in die Augen sehende
Kunststudentin derart ansext, dass sie beinahe kommt. Oder erst die Episode
mit den beiden jugendlichen Einbrechern, die offenbar vom Geruch der von
ihrem Mann eingesperrten Béatrice Dalle trotz lautem
Fensterladengerüttel einen entsprechend verhängnisvollen Einstig
in die Wohnung wagen. Auch klasse, wenn Dalle unter ihrem Bett mal schnell
eine Stichsäge hervorholt um sich aus ihrem Gefängnis zu befreien.
Die wird sie wohl unter ihrem dünnen Seidenhemd reingeschmuggelt haben
(Schatz, Deine Brüste sehen heute aber komisch aus?, Ach
das ist nur mein neuer Push-Up...).
Wer nur wegen der Gewalt gekommen ist, wird dann auch in zwei Szenen
auf das Theatralischste bedient. Selten sah man Zuschauer so schnellen Schrittes
den Saal verlassen.
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