Erlaubte das ganz auf Äußerlichkeiten fixierte Schaffen
Takashi Miikes derart psychologisierende Termini, könnte man sagen,
dass am Beginn der Blutspur, die sich durch Fudoh: The New Generation
zieht, ein traumatisches Ereignis liegt: der junge Riki Fudho muss mit
ansehen, wie sein Vater seinen Bruder tötet, um die Rache des
konkurrierenden Yakuza-Clans zu vermeiden. Mehrfach wiederholt Miike diese
Szene, den Blick Rikis durch den Türspalt und zeigt jedes Mal mehr,
bis zuletzt das Blut bei den mehrfachen Schwerthieben spritzt und der Kopf
vom Rumpf getrennt ist. Auf exemplarische Weise hat dieser Blick mit Voyeurismus
nichts zu tun, da der Begriff ein Widerlager der Scham, des Verbots, wenn
nicht des Tabus impliziert. Davon aber gibt es bei Miike keinen Rest. Zwar
ist nicht sofort alles zu sehen, diese Verweigerungen gehorchen jedoch einzig
der Logik der Steigerung, von Scheu oder Abscheu ist dabei keine Spur - was
natürlich nicht heißt, dass sich gerade an dieser Abwesenheit
von Scham nicht eine Abwehr des Betrachters (als Scheu, Abscheu oder auch
als Langeweile oder Verdruss) herausbilden kann. In Miikes Bildern aber steckt
sie nicht.
Gewiss sind es Extreme, die Miike reizen - hier zum Beispiel eine
Fixierung auf das Geschlecht einer Frau, die daran ein Blasrohr ansetzt,
mit dem sie tötet: auch hier aber eine Logik der Verblüffung, wenn
sich die Frau als Hermaphrodit entpuppt, nur um sofort mit einer anderen
Frau, die sich später wiederum als Yakuza-Killerin entpuppen wird, zu
schlafen. Die Pointen sind bei Miike stets die Umschläge vom einen ins
andere, nie die möglichen Implikationen. Es ist oft, als sei das, was
eben noch grell herausgestellt worden ist, im nächsten Moment vergessen.
Und gegen das Erinnern wird ein weiterer greller Effekt mobilisiert, der
alle vorherigen vergessen macht und so fort. Eine einzige - in diesem Fall
gar nicht besonders temporeiche - Flucht nach vorne, der auch Geschichten
der geradezu gewaltsamen Erinnerung - und genau das sind Rachegeschichten
ihrer Natur nach - einzig dazu dienen, den Blutzoll im Hin und Her der
gegenseitigen Vernichtung zu steigern. Zusammengehalten wird das dann durch
die grobe Fabel - hier also die Rache Rikis (der Film springt, elegant, muss
man sagen, zehn Jahre weiter) an seinem Vater und dem Clan, der ihn zum Mord
am Sohn genötigt hat - und, wenn es gut geht, durch eine Serie von
Leitmotiven. Blut, Unmengen davon, gehört unbedingt dazu und dies Blut
ist sehr vieles auf einmal. Die einzige Äußerungsform von
Innerlichkeit, zum Beispiel, Ersatzflüssigkeit für alles
Psychologische. Dazu passt der Eintrag des Bruderbluts in den eigenen
Körper, den Riki am Totenbett vornimmt: Rache wird durch (fast) ganz
unmetaphorische Übertragung vom Körper des Brudes in den eigenen
Körper überschrieben, um, vom eigenen dann auf den fremden Körper
gerichtet, blutige Tat zu werden. Blut ist aber auch schierer Überfluss,
Signifikant des Exzesses, geradezu schiere reizstarke Farbe, dann etwa, wenn
es kübelweise aus Körpern spritzt oder aus Autos schwappt.
Blut gehört zum Splatter-Genre und es steht für ein spezifisch
groteskes, seine Grenzen durch Schlitzen, Schlagen und Abtrennen lustvoll
überschreitendes Verständnis des menschlichen Körpers. Das
setzt sich in Fudoh fort in weiteren grotesken Körpern, dem der
Hermaphroditin, dem des massigen Kämpfers Aizome und den kleinen
Körpern der Killer im Grundschulalter, die mit großer
Professionalität Yakuza umnieten. Literal genommen, ist das blanke Gewalt
und Lust an der Zerstörung - und wo Miike literale Lektüren nahelegt,
gibt es guten Grund, das auch moralisch unappetitlich zu finden. Im ganzen
aber gehört es zur gelingenden Lektüre dieser Filme, auch von Fudoh,
die artifiziellen Prämissen des Genres zur Kenntnis zu nehmen. Körper
sind darin oft genug nicht viel mehr als mit Blut gefüllte Schläuche
und/oder Kampfmaschinen, extreme Reduktionen, ja Karikaturen von Körpern,
die von Anfang an mit dem lebensweltlichen Leib von unsereins nur den Schein
gemein haben. Die Lust, die einem diese Bilder oftmals surrealer Gewalt bereiten,
zehren gewiss von infantiler Freude an der Zerstörung - darin aber liegt
ein Moment des Komischen viel eher als des Sadistischen. Es ist eine strukturelle
Komik, über die man nicht unbedingt lachen muss; an den Freiheitsmomenten
des Komischen aber partizipieren Miikes Splatter-Filme in jedem Fall.
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