Mit "Dil Se" (1998) hatte der tamilische
Filmemacher Mani Ratnam alles gewagt: Er drehte in Hindi seinen mutigsten
Film, schlang Politik und Liebe ineinander, mit großen Stars, zu keinem
glücklichen Ende. Im Film nicht - das ist eine von dessen großen
Stärken - und leider auch bei der indischen Kritik und beim Publikum
nicht. "Dil Se" gilt in Indien bis heute weithin als katastrophal misslungen.
Jahrelang hat Ratnam dann keinen Film mehr für Bollywood gedreht, gar
gedroht, es nie wieder zu tun, hat sich stattdessen auf seine tamilische
Heimat konzentriert - den Rest Indiens erreichten Werke wie "Iruvar" oder
"A Peck on the Cheek" nur in
synchronisierten Versionen. Von "Waves" allerdings drehte Ratnams Regieassistent
ein kompetentes, wenngleich schwächeres Remake für den Hindi-Markt.
"Yuva" bedeutet nun die Rückkehr, allerdings mit gespaltener Zunge:
Nach dem mit Stars der gehobenen Güte gespickten Hindi-"Original" drehte
Ratnam gleich das tamilische "Remake". Die Einspielergebnisse waren sehr
mittelmäßig, nicht einmal ein Großstadt-, ein Mulitplex-Erfolg,
weitere Bevölkerungsschichten hat der im Mai dieses Jahres angelaufene
Film trotz A.R. Rahmans sehr gut verkauftem Soundtrack nicht erreicht.
Verwunderlich ist das nicht, denn "Yuva" kann sich nicht entscheiden, was
er sein will. Seit "Dil Se" ist Ratnam auf der Suche nach einer erfolgreichen
Formel für die Verbindung von Bollywood-Form und politischer Thematik,
die sein Markenzeichen ist, spätestens seit
"Roja". Und während "A Peck on the
Cheek" recht skrupellos um die das Sentiment an der Politik steigernde, diese
damit zu billig verkaufende umstandslose Verkupplung von beidem bemüht,
so fallen die beiden Seiten in "Yuva" beinahe beziehungslos auseinander.
Ein starkes Symptom für Ratnams Ratlosigkeit sind die stark
zurückgenommenen, kaum originellen Picturization-Momente seiner beiden
jüngsten Filme. Im Grunde, das wird deutlich, braucht er sie nicht;
schlimmer: kann sie nicht brauchen. Er will Tempo, Härte und verfällt
in den Song-and-Dance-Einsprengseln dann doch nur auf das Thema Liebe. Das
wirkt zurück auf den Plot, der schematisch den drei Helden drei Frauen
beigesellt, die nicht mehr als nirgendwo hinführende Zugaben sind. In
den Liebesbeziehungen findet der Film kein Zentrum, keinen Halt, den er doch
sucht. Bei der Suche aber steht ihm die eigene Struktur im Weg, die Ratnam
von Tarantino übernimmt, der schon dem mutmaßlich weiteren Vorbild
"Amores Perros" oder zuletzt Sabus
... zum Muster diente.
"Yuva" beginnt mit einer Szene, die die drei Geschichten zu einer
zusammenführt: ein Attentat auf Kalkuttas belebtester Autobrücke.
Von hier geht der Film zurück, dreimal. Erzählt die Geschichte
des Gangsters Lallan, der das Attentat verübt. Die Geschichte des
Studentenführers Michael, der ermordet werden soll. Die Geschichte Arjuns,
der als Hedonist beginnt und sein politisches Gewissen entdeckt. Keine der
Geschichten ist in sich stark genug - und alle drei sind sie auf einen
politischen Kern bezogen, der unscharf bleibt. Es geht um den Willen zur
Aktion, zum Widerstand gegen die korrupte Tradition, so viel ist klar, sehr
viel mehr aber nicht. Die Aktivisten verzichten auf die Karriere in den USA,
sie gehen aufs Land und politisieren die Bevölkerung. Inhaltlich aber
bleibt das, vom vagen Schlusssignal des Parlamentseinzugs in Jeans abgesehen,
leer. Die Frauen haben nur dienende oder verschwindende Funktion, am ehesten
ist noch das Verhältnis zwischen Lallan und seiner Frau interessant,
der im Song and Dance freilich sich immer wieder in Wohlgefallen
auflösenden Ambivalenz wegen.
Stilistisch flüchtet sich Ratnam in Feuerwerksveranstaltungen, rafft
und dehnt die Bewegung zum Videoclip, fällt vom Bollywood-Klischee ins
MTV-Klischee. Wenig motiviert wirken auch die sich an Hongkong anlehnenden
Actionsequenzen. "Yuva" ist ein Film, der von allem etwas zu bieten hat.
Aber auch einer, der, zwar unterhaltsam, zwar virtuos inszeniert, sehr deutlich
macht, dass das zu wenig ist, wenn nicht klar wird, wozu.
zur Jump Cut Startseite |