Die Ängste der Tänzer, Trauer und Hallelujah von Henry
Purcell, Flic-Flac und Körperqual, der Gesang des Countertenors und
Musik aus dem Computer, das Klavier, die Stahlbetten, die Körper: sie
alle bekommen miteinander zu tun in der Choreografie "bâche" der Gruppe
"Les Balltes C. de la B." aus Gent. Auf das Theatertreffen in diesem Jahr
waren sie eingeladen mit "Wolf", inszeniert von Alain Platel.
"bâche" ist eine Inszenierung des Belgiers Koen Augustijnen,
er ist 36, wird er sich im letzten Drittel des Stücks vorstellen, nicht
jung, nicht alt, langes, blondes Haar, Glatze. Sein Körper, diese
Körper tun etwas zur Sache. Tayeb Benamara, sehnig, durchtrainiert,
in einem Breakdance-Entkleidungstanz liefert er eine
Zuck-Trance-Stroboskop-Performance. Zwei Körper, könnte man glauben,
auf den ersten Blick, tun nichts zur Sache, der des wunderbaren Countertenors
Steve Dugardin und der des Komponisten und Pianisten Guy Van Nueten. Letzterer
verharrt die ganze Zeit außerhalb des Zentrums, an seinem Klavier,
an seinem Laptop, betätigt einmal mit viel Brimborium die technische
Anlage: eine rote Lampe, ein Hebekran, eine Plane wird von der verhüllten
Bühnenkonstruktion gelupft. Darunter: eine weitere Plane, eine
umgestürzte Statue, genaueres wird bis zum Ende nicht enthüllt.
Van Nuetens Körper also, der eines schlaksig geratenen Woody Allen,
spricht nicht, so wenig wie Van Nueten selbst. Und Dugardin singt, auch er
spricht nicht. Während aber Van Nueten nicht tanzt, kein bisschen, tut
Dugardin gelegentlich mit, bei den akrobatischen Stücken und beim seltsamen
Ententanz, der einmal herausbricht, als Gruppentanz, aus den
Körper-Beziehungs-Erkundungen, die den größten Teil der
Inszenierung ausmachen.
Dazwischen Purcell, gesungen von Dugardin, am Klavier begleitet von
Van Nueten.
Diese Erkundungen: Körper, die sich aneinander krümmen,
gegenseitig stabilisieren, dass einer darüberschreiten kann. Wie tote
Körper werden über die Bühne geschleift, einmal hat einer
ein rotes, blutrotes Tuch über dem Kopf, an dem ihn ein anderer zieht,
zerrt, eine Puppe, halb tot, halb lebendig, ein Gangsterkopf, wie bestrumpft,
das Gesicht als Maske. Oder: einer sitzt auf dem Bühnenaufbau und an
seinen Händen hängt der Körper eines anderen, per choreografierter
Fernübertragung. Händespreizen: der andere richtet sich auf, dann
sackt er wieder zusammen. Solche Entsprechungen ohne Berührung gibt
es mehrfach: einer wird von dreien zusammengeschlagen, sie stehen im Kreis,
treten, boxen aus sicherem Abstand, der in der Reaktion des Tänzers
als Schein auftritt, er windet sich, er zuckt wie getroffen
zurück.
Andere Szene: Man wirft sich Körper zu. Andere Szene: Ein
Körper, der nicht abzuschütteln ist.
Die Körper sind hier, fraglos, Ausdruckskörper. Sie geben
einem Inneren Bewegung. Ihre Virtuosität - aber sie trudelt immer wieder
wie ins Leere - ist der Überschuss des Mediums. Der sich windende
Körper aber soll lesbar bleiben als gequälter, sich quälender.
Der Körper im Ententanz setzt sich in ein spaßiges Verhältnis
zu sich selbst und zu den anderen Tänzern. Es bleibt aber Audruckstanz,
verstärkt noch einmal in dem Moment, wenn die vier Tänzer an die
Rampe treten, (Pseudo?-)Autobiografisches erzählen. Die Rückbindung
des Körpers ans Subjekt. Das hat hier aber, in seinen Divergenzen und
in seiner das einander Fremde zuletzt in- und aneinander fügenden
Zusammengestückeltheit, eine Zartheit und eine Stärke, es ist so
atemberaubend getanzt, dass es, über alle Vorbehalte hinweg seine
Richtigkeit hat. |