"Poor Theater", das neue, als work-in-progress in der Performing Garage
vorgestellte Stueck, wenn man Stueck sagen will, der Wooster Group, ist eine
Annaeherung an zwei Groessen von Theater und Tanz, Jerzy Grotowski und William
Forsythe. Im ersten Teil steht zunaechst nur ein Flachbildschirm in der Mitte
des ziemlich winzigen Raumes, der gerade mal Platz fuer fuenf, sechs
Zuschauerreihen bietet. Im Einspielfilm wird berichtet von der Reise der
Woosters (ohne Willem Dafoe diesmal) nach Polen, an die Spielstaette Grotowskis
in Breslau. Ein Interview mit dessen Assistentin und der Fernseher wird beiseite
geschoben, die vier Darsteller treten auf - als Nachsteller. Nachgestellt
und nachgesprochen wird das Interview.
Es folgt die Reinszenierung einer anderen Situation: Die Wooster Group betrachtet
ein Video mit Grotowskis Inszenierung des Stuecks "Akropolis" (in diesem
Film fungiert die andere Theater-Legende Peter Brook als Erzaehler), ein
Uebersetzer uebersetzt vom Polnischen ins nicht nur sprachlich schwer
Verstaendliche. Das wird nachgestellt. Dann beginnt die Gruppe der
Wooster-Performer mit der Reinszenierung dieses Stuecks. Diese Reinszenierung
aber ist ein Remake, ein Wort fuer Wort und Geste fuer Geste dem Original
und im Angesicht des auf dem Monitor weiter laufenden Originals nachgeaefftes
Nachspiel. Grotowskis "armes Theater" (so sein eigener Kampfbegriff) will
zurueck zum Ritual, will den Darsteller an die Grenzen der Darstellung treiben,
dorthin, wo die Mimesis in urtuemlicheren Ausdruck kippt. Vom postdramatischen
Theaterverstaendnis der Wooster Group ist das, auch wenn Grotowski eine der
Ikonen des Postdramatischen ist, weit entfernt. Sie setzt auf Verdopplungen,
Distanznahme zur Rolle, Technisierung bis ins Inhumane. Fuer "Poor Theater"
aber, das nachstellende Remake, haben sie polnisch gelernt. Das ist der grosse
Coup dieses ersten Teils: minutenlang rasen die Performer polnisch. In der
Imitation der Ueberschreitung von Mimesis aber verliert sich das Moment der
Ueberschreitung. Die Mimesis wird zu Mimikry und das ganze wagt sich ins
Niemandsland zwischen Hommage und Parodie.
Der zweite Teil setzt das, anders, fort. Nachgestellt wird ein Interview
mit William Forsythe, dem Grossmeister des zeitgenoessischen Ballets. Dass
er in Frankfurt rausgeschmissen wird, darauf wird angespielt, in einem
Einspielfilm, wieder zu Beginn. Dann aber spricht Forsythe in der nachahmenden,
nachaeffenden Gestalt eines Wooster-Performers, der im Sprechen ins Tanzen
geraet. Daneben, dazwischen drei andere Wooster-Performer, die den Forsythe
tanzen. Natuerlich besitzen sie nicht die Perfektion des Imperfekten, die
Forsythes Taenzer zu Virtuosen der Improvisation machen. Aber es ist kein
Spass, es ist Ernst. Wird im ersten Teil polnisch gerast, so wird im zweiten
Forsythe gesprochen und getanzt. Es geht um die eigene Haltung, die sich
in der Nachahmung ergibt. Um das Eigene einer Haltung und einer Stellung,
die ein Aeffen ist, aber im Ernst. Eine Fremderkundung als Selbsterkundung,
ein grandioser Abend, ein work in progress. Kurz vor Schluss heisst es: That's
all we have for now. Es geht noch einmal weiter, dann tritt ein Buehnentechniker
ans Mikro: The Performance is now over. |