Theater Corner: Jean-Pierre Perrault: Joe (Haus der Berliner Festspiele, Berlin, August 2004)

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Jean-Pierre Perrault: Joe (Haus der Berliner Festspiele, Berlin, August 2004)

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Jean-Pierre Perrault: Joe (Haus der Berliner Festspiele, Berlin, August 2004)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Wir schreiben und tanzen das Jahr 1984. Männer in Anzügen, Anzüge, die Tänzerinnen und Tänzer zu Männern machen, auf jedem Kopf ein Hut: Think Orwell, think Brazil, 32 Männer im Takt ihrer selbst, think Masse versus Individuum. Und die Individuen tanzen dann, so literal es eben geht, aus der Reihe, der Hut aber bleibt auf dem Kopf und nur ein einziges Mal entledigt einer sich des Mantels. Er zieht ihn wieder an. Er kehrt zurück in die Gruppe, geht in ihr auf, ununterscheidbar. "Joe", das vom 2002 verstorbenen Jean-Pierre Perrault vor zwanzig Jahren choreografierte Stück, geht auf Finissage-Tour durch Europas Städte, mit Schwung und Patina.

Die Gruppe, das Individuum als Dividuum der Gruppe und nicht mehr: Dies unübersehbar die Botschaft, die im Mit- und Gegeneinander der mit- und gegeneinander sich Bewegenden steckt. Was aber steckt im Mit- und Gegeneinander als solchem? Der Eigentakt, der sich von selbst, wie von selbst, aus der gemeinsamen Bewegung gewinnt: ein Schlurfen, ein Schwingen, ein Rennen, ein Trampeln, das spielt sich, nur tanzend kaum, durch die Bewegungsformen. Nachahmungstaten, Takte der Veränderung. Die Gruppe als Körper, die einzelnen, die sich auf die Schräge werfen, auf die hin die Bühne zuläuft, die Einzelkörper, die sich zum Gesamtkörper aneinander kuscheln, im Marschieren diesen hervorbringen und immer wieder springt einer, springen zwei oder ein paar mehr heraus: und tanzen.

Nie kommt von außen die Musik, stets nur der Rhythmus aus dem Inneren. Die Instanz des Kommandos bleibt unsichtbar - mit einer Ausnahme ganz zum Schluss, wenn die Gruppe sich dem Stiefeltakt eines einzelnen beugt. Oder die Mundharmonika zweimal, aber deren Befehle bleiben diffus: ein Kauern. Gesang aber, zwei Silben, brechen hervor aus der Gruppe, nicht zuzuordnen den Mündern, der Rücken zum Publikum. Diesem Gesang aus den unsichtbaren Mündern folgt die Bewegung bald, sich steigernd. Die Gruppe, die Masse scheint autonom wie ein Schwarm, eine Herde, die sich selbst diszipliniert hat und damit den einzelnen, der noch im Ausscheren anonym bleibt, den Hut auf dem Kopf, diszipliniert.

Diese ideologiekritisch imputierte Kritik an der Disziplin läuft irgendwann ins Leere. Die Cluster verläppern zu Variationen des einen Musters. Die Strukturbildung selbst wird dagegen zu wenig erforscht: der Körper der Gruppe in seiner Eigendynamik bleibt vorausgesetzt, noch, nein: gerade da, wo es um den zeitweiligen Ausbruch geht. Heute, denkt man, wäre die Frage nach dem Takten des Takts interessant, die detaillierte Beobachtung der Körper, die hier im Spiel sind. "Joe" aber scheint nur zwei Aggregatzustände des Körpers denken zu können: den, der im Takt ist und den, der in den Takt zurückkehren wird. Vielleicht ist das, nach zwanzig Jahren könnte es deutlich werden, allzu grob hingeschaut.

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