Da schnüren wir uns also Plastikbändchen ums Handgelenk, rote,
blaue, grüne als wärs ein Musikfestival und wir kämen
nicht mehr rein ohne sie. Dabei kommen wir hier nicht mehr raus. Der rote
Wohntyp: Flokati, der blaue: Stahlrohr. Ja weder noch, denke ich mir und
nehme das rote. Wir sitzen im Wohnzimmer der Gastgeber: Theaterwissenschaftler,
Journalisten, Freunde, dreißig Leute bestimmt, die Wohnung ist groß,
aber Platz ist keiner. Dieser Abend wurde bei ebay ersteigert, zuhausetheater,
livingrooms, die eigene Wohnung als Bühne. Mitten unter uns steht die
Wohnungsberaterin Elli Kölmel und verteilt die Bändchen, die
später dafür sorgen, zweimal jedenfalls, dass nicht alle dasselbe
erleben. Dann aber der rasche Schnitt, Elli geht, verlässt die Wohnung,
kehrt wieder und ist nun, neue Szene, bei sich zu Hause.
Im Handumdrehn hat die Fiktion die eigene Wohnung in die fremde verwandelt.
Elli Kölmel als Nervenbündel, das Post-Its an sich selber schreibt:
Musik aus, Musik wirklich aus. Die Geschichte kommt in Gang, als ein junger
Mann auftaucht, Mücke von der GEZ. Er dringt in die fremde Wohnung ein,
die unserer Gastgeber, die im Nu in die Elli Kölmels verwandelt ist.
Dann, klapp, geht die Tür und wir sind auf dem Boulevard, was man daran
sieht, dass immerzu die Türen gehen werden, hinter denen er sich versteckt
oder sie verschwindet, um die Szene für ihn zu öffnen. Jetzt aber
schließt sie erst mal zu, er ist gefangen. Wir sind auch gefangen mit
den beiden und den Windungen, Wendungen, die die Fiktion nimmt, ins Langweilige
und Outrierte und Gelungene. Der rote Faden ist die langsame, mal pathologisch,
mal romantisch überzogene Annäherung der beiden. Über Post-Its.
Leider traut sich die Performance-Gruppe nicht, dabei zu bleiben. Aufgepeppt
wird der Wohnungszweier durch Intermezzi mit Dritten, einem Pizza-Boten etwa
(für die rote Gruppe, während für die blaue irgendwas mit
Lärm stattfindet, hinter einer Tür). Schön ist der Umgang
mit dem Publikum, das wahrgenommen wird, aber nicht einbezogen, mal als Komplize:
verraten Sie mich nicht, mal als Rätsel: Wer sind Sie eigentlich? Was
aus der Improvisation geboren scheint, macht Spaß. Brötchensex,
ein Rasierertanz, Putzattacke. Reflexionsversuche senken das Niveau, wie
es so oft passiert, wo sie ungelenk geraten. Schöner wäre es gewesen,
die Macher hätten dieser Wohnungsgeschichte vertraut, dem
Türenschlagen, der Albernheit, der Wohnungserkundung durch spielerisches
Einander-Annähern und -Ausweichen der beiden.
Danach Büffett, Interviews mit den Zuschauern, rbb, Berlin 91,4,
Deutschlandradio, von Enthusiasmus keine Spur. Am Wohnzimmertisch Gäste,
Gastgeber, Darsteller, während das Fernsehen einpackt, die Post-Its
entfernt werden. Die Wohnung, die Bühne war, ist wieder sie selbst. |