Walid Raad, der Teil der Atlas Group ist oder sich wohl eher Atlas
Group nennt - in welchem Falle die Atlas Group keine Group wäre, das
haben Sie richtig erkannt -, zählt Autobomben. Im Libanon. Und er
erzählt von den Autobomben. Zählt Tote. Nennt Namen. Zieht
Verbindungslinien. Zeigt Fotos. Macht Filme. Manipuliert das Material. Diagramme,
Gesichter, Bombengeschichten. Dreitausendnochwas Bomben, erzählt
er.
In seiner Lecture Performance, Samstag Abend im Haus der
Kulturen der Welt. Power Point Präsentation, ernste Miene, gelegentlich
heftige Tempobeschleunigungen, er bremst sich, er bricht ab, er setzt neu
an. Namen, Gesichter, Informationen, ein Overload. Nichts von dem, was wir
recherchiert haben (wir, die Atlas Group, die es wohl nicht gibt), hat uns
überrascht. Die Fakten, sagt er, sind bekannt. Bombengeschichten sind
bekannte Geschichten, wir fördern nichts Neues zu Tage. Die Atlas Group
recherchiert, rekonstruiert. Auf der Documenta 2002: Fotos von Motoren, die
bei Autobombenattentaten durch die Luft geschleudert wurden und nun herumliegen,
am Straßenrand. Daten, Fakten. Fake Fake Fake. Fake? Man weiß
es nicht. Meine Mitarbeiter, sagt Walid Raad, er nennt Namen, hier rechts
einer, hier links einer. Ein Aufsatz wird erwähnt, eine Zeitung,
libanesisch, weiß der Teufel, ob irgend etwas davon existiert. Auf
der Documenta 2002: Sonnenuntergänge. Eine Geheimdienstgeschichte. Keine
Bomben, aber auch nicht wahr. Natürlich, die Bilder sind echt. (Oder?)
Aber sonst wird einem was vom Pferd erzählt. Denkt man. Und dann zweifelt
man. Wieviel Wahrheit ist im Fake? Und was sagt uns der Fake über die
Wahrheit? Oder über die Politik? Oder über das Reden über
Politik? Nahost-Verarschung.
Dann der Film. Man sieht die Straße, in der die Autobombe detonierte
(eine von tausenden; alle sollen recherchiert werden. Sagt Walid Raad.),
man sieht Leichen, Fotos, den Fotografen. Auch die Geschichte des Fotografen
wird erzählt. Alles wird erzählt, nichts wird ausgelassen. Aber
was sagt es uns. Manipulierte Bilder. 360-Grad-Kamerafahrten. Dann verschluckt,
plötzlich, die Straße die Autos. Dann verschwimmt, plötzlich,
das Häuserbild zu Streifen, Bildbremsspur. Bombengeschichten. |