Zur Tonspur hat Ritwik Ghataks Film "Der verborgene Stern" (wörtlich
wohl: der von Wolken verdeckte Stern) auch Bilder in Schwarz und Weiß.
Manche Großaufnahmen von Gesichtern sind dem Dunkel abgewonnen, die
Kamera kommt ihnen nahe, entfernt sich, sucht in Antlitzen Ausdruck für
ein Leid, den der Film in der Musik vor allem findet. Welch eine Bandbreite
des Tons: Vom nicht-diegetischen Rauschen zum Spektrum zwischen harmonischem
Streicherklang und Shankars Gesang und (vermeintlicher) aufgepeitschter
Elektronik, da kommen die Darsteller, da kommen die Einstellungen nicht
hinterher.
Die melodramatische Geschichte, die der "Der verborgene Stern" erzählt,
ist dramatisch simpel, im Melos komplex. Anders als im Bollywood-Idiom, das
Ritwik Ghatak als Drehbuchautor vertraut war, gibt es hier keine Zäsur
zwischen Narration und Picturization - eine Zäsur, die das eine zum
anderen in höchst komplexe Verhältnisse zwischen Spiegelung, Kommentar,
Abschweifung, Traum, Emotion setzt. Der Verzicht auf die Zäsur aber
erzeugt ästhetische Verwicklungen eigener Art. Die Musik fällt
dem Film und seinem Zeigen ins Bild. Ansatzlos wechseln die Stimmungen des
Tons - rascher als die Stimmungen, die das Melodram im Erzählen, im
Zeigen induzieren kann.
Was so entsteht, ist implodiertes Masala-Kino: der eine Leidens-Ton der
Geschichte, die immer wieder eher eindeutigen Einstellungen auf den Schmerz
der Frau, der Tochter, der Schwester, die mehr ertragen muss als eine Frau
ertragen kann, werden stets konterkariert durch Sinnvorgaben der Musik, die
illustriert, was nicht zu sehen ist. Die hier ein Eigenleben führt,
das aber das Eigenleben von Gefühlen ist, für die Nita, die Leidende,
die sich Opfernde, keinen Ausdruck hat. Die Größe des Leids zeigt
sich in der Unmöglichkeit seines Ausdrucks.
Noch der Sturm, das Unwetter, die wuchtigen Einstellungen der Natur und des
Menschen darin sind eher Zeichen des Verlusts der natürlichen Beziehungen
zwischen Mensch und Mensch und Mensch und Natur. Die Erlösung, im Gesang
Shankars, der erfolgreich heimkehren wird, findet anderswo statt: in der
neutralen Fremde, in Bombay. Bengalen, die nahe Fremde, die den aus Bangladesch
Geflüchteten neue Heimat sein muss, entfremdet sie einander und noch
den Einzelnen, die Einzelne sich selbst. Der Verfall des Vaters wie der blinde
Eigennutz von Mutter und Geschwistern leiten sich her von der Flucht und
weisen doch in die Universalität einer viel tieferen Entfremdung, zwischen
Mensch und Natur. Am Ende wird Nita, die Sterbende, in den Wald und die Berge
hineinrufen: "Ich will leben!" Das Echo, das zurückkehrt, ist keine
Antwort.
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