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Der unsichtbare Film

 

 


 

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Unknown Soldier (Ferenc Toth, US, 2004)
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Jared Hess: Napoleon Dynamite (mehr)
Claire Devers: Les Marins perdus (mehr)
Ichii Katsuhito: The Taste of Tea
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Michael Almereyda: Happy Here and Now
Lisandro Alonso: Los muertos (mehr)
Nimród Antal: Control (mehr)
Shinji Aramaki: Appleseed
Adolof Aristarain: Roma (mehr)
Bahram Baizai: Sagkoshi (mehr)
Rodrigo Bellot: Sexual Dependency (mehr)
Jean-Claude Biette: Saltimbank
Catherine Breillat: Brève Traversée
Andrew Bujalski: Funny Ha Ha
Lina Caneva: The Mascot (mehr)
Jonathan Caouette: Tarnation (mehr)
Pedro Costa: Vanda's Room
Lav Diaz: Batay West Side
Abel Ferrara: R'Xmas (DVD)
Marco Tullio Giordana: The Best of Youth (mehr)
Amos Gitai: Kedma (DVD)
Amos Gitai: Eden
Eugene Green: Le Monde Vivant
Alain Guiraudie: Pas de repos pour les braves
Hal Hartley: No Such Thing (DVD)
Hou Hsiao-hsien: Coffee Time
Attila Janisch: After the Day Before (mehr)
Manish Jha: Motherland: A Nation without Women
Tanit Jitnukul: Bang Rajan (mehr)
Naomi Kawase: Shara
Kazuaki Kiriya: Casshern (mehr)
Harmony Korine: Julien Donkey-Boy (DVD)
Noémie Lvovsky: Les Sentiments
Guy Maddin: The Saddest Music in the World
Chris Marker: Remembrance of Things to Come
Ross McElwee: Bright Leaves
Celina Murga: Ana e los otros 
Manoel de Oliveira: The Uncertainty Principle
Rithy Panh: S21 - La Machine de Mort Khmere Rouge
Chanok Park: Jealousy is My Middle Name
Lynne Ramsay: Morvern Callar (DVD)
Pen-ek Ratanaruang: Last Life in the Universe (mehr)
Nicolas Winding Refn: Fear X (mehr)
Alan Rudolph: The Secret Lives of Dentists
Sang-soo Hong: Turning Gate (DVD)
Gus van Sant: Gerry (DVD)
John Sayles: Casa de los Babys
John Sayles: Sunshine State (DVD)
Gyorgy Sjomjas: Vagabund
Todd Solondz: Storytelling (DVD)
Bela Tárr: Werckmeister Harmonies (DVD)
Pablo Trapero: El Bonaerense
Tsai Ming-liang: Goodbye Dragon Inn
Marina de Van: In My Skin
Frederick Wiseman: Domestic Violence
Yu Lik-wai: All Tomorrow's Parties
Yolande Zauberman: La Guerre à Paris
Andrzej Zulawski: La Fidelité (DVD)

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Ich sehe was, was du nicht siehst: Filme, die auf Festivals für Ausehen sorgen, Filme, die in anderen Ländern wie selbstverständlich in die Kinos kommen, Filme von renommierten Regisseuren, Filme, die vor zehn Jahren auch bei uns noch zu sehen gewesen wären oder auch nur Filme, von denen wir glauben, dass sie bei uns zu sehen sein müssten - und sei es nur, damit man sich ein Bild machen kann. Filme in jedem Fall, die es  zu Unrecht nicht auf deutsche Leinwände schaffen: unsichtbare Filme. Wer auch immer an dieser Situation schuld ist: die Verleiher, die Kinos, die Kritik, die Zuschauer  oder alle miteinander - wir besprechen hier, was Sie im Kino nicht sehen durften. Und wir geben Hinweise, auf welche Weise Sie die Filme vielleicht doch in die Hände bekommen, auf Video und DVD.

 

 

 
Ross McElwee: Bright Leaves (USA 2003)

Von Michael Baute

Die Verzweigungen der Situation "ich" als Erzählverfahren, ein andauerndes Weitermachen - Suchen, Finden, Abstoßen, Integrieren, und vor allen Dingen: Weitermachen. Mäandern, als sei es die natürlichste aller Ausdrucksformen.

Arnaud des Pallières: Adieu (F 2004)

Von Ekkehard Knörer

Man wird die Ästhetik, zu der sich seine Bild-Ton-Allegorien zusammenschließen, als eine Ästhetik des Sakralen bezeichnen können, sakral noch in der Gottverlassenheit der Welt, die darin entworfen wird. "Adieu" ist ein Film, der mit aller Entschlossenheit das Kino verrückt, an einen Ort, den es noch nicht gab. Er denkt die Welt anders als sie bisher gedacht worden ist, er erschließt dem Zeit- und Bewegungsbild einen neuen Raum. Mit aller Peinlichkeit und allem Pathos, die in dieser Hybris liegen.

Arnaud Desplechin: Rois et Reine (F 2004)

Von Ekkehard Knörer

"Rois et Reine" ist ein Film, der vor sich hinblinzelt, der einen anblinzelt, aber nicht, um einen plump ins Vertrauen zu ziehen, sondern wie man blinzelt beim Erwachen oder vielleicht auch dann, wenn man nicht recht weiß, ob das, was man sieht und erlebt, jetzt ein Traum ist oder Wirklichkeit. "Rois et Reine" ist ein Film, der kein Halten kennt, bei aller Behutsamkeit, zwischen Traum und Wirklichkeit, in dem die ungeheuerlichsten Dinge wie nebenbei geschehen, und keiner ist da, der einem das alles erklärt, diese Haltlosigkeit von einer Figur zur nächsten, von einer Geschichte zur nächsten, eine Haltlosigkeit, die keine Regeln kennt, die das Stolpern zum Prinzip erklärt.

Lisandro Alonso: Los Muertos (Argentinien 2004)

Von Ekkehard Knörer

Minutenlang durch einen Dschungel aus Grün und Licht, eine Plansequenz, die Kamera gleitet wie ein geschmeidiges Tier durchs Unterholz, das Blätterdach bleibt in der Unschärfe, verschwimmt zu einem Lichtnetz aus Weiß und Grün. Wie zufällig fällt dann der Blick, auf dem Boden, in der Schärfe, auf eine jugendliche Leiche, später eine weitere, später auf den Mörder, genauer gesagt: auf den Arm, die Hand, darin die Machete. Nach dieser Sequenz schließt sich das Lichtnetz zum undurchdringlichen Grün, das die Leinwand füllt, ein paar Sekunden.

Kiyoshi Kurosawa: Doppelgänger (Japan 2003)

Von Ekkehard Knörer

Der Film wird zum Road-Movie mit Prothesen-Maschine, Werkzeug, Halbtoten und Leichen. Er bewegt sich fort, ans Meer, keiner weiß warum, er findet ein Ende, weil eines kommen muss, aber den Sinn, die Romantik, die Maschine und sämtliche angeschleppten Motive schmeißt Kurosawa über die Klippen seines Schlussbilds wie ein trotziges Kind.

Isild Le Besco: Demi-Tarif (F 2003)

Von Ekkehard Knörer

Was beschworen wird, herauf aus dem Wasser ins Bild (nur um am Ende wieder ins Wasser zu entgleiten, wie ein Traum, ein Traum unter Wasser) ist das Glück einer Kindheit ohne Über-Ich, vaterlos, mutterlos. Die Mutter ist Instanz in der Rede, sie kam, sie verließ uns wieder, jedoch ist sie nie im Bild.
 
Sharon Springer Berman, Robert Pulcini:American Splendor (USA 2003)

Von Ekkehard Knörer

"American Splendor" ist ein Film über den Sozialtypus Nerd. Eine Rehabilitation des Nerds, die einem nicht vormacht, Nerds seien angenehme Menschen. Man erlebt sie besser aus der Distanz. "I am depressing", sagt Harvey Pekar und man glaubt ihm aufs Wort. "I am a Nerd", sagt Toby Radloff und ein Blick genügt. Man hört es auch mit geschlossenen Augen, denn in Wahrheit sagt er "I am a Niard" und diese Abweichung fasst zusammen, was den Nerd ausmacht: Er ist unmöglich. Er weiß sich nicht zu benehmen. Er ist seltsam und das auf total uncoole Art.

s. auch die Kritik von Thomas Reuthebuch
  
Crimson Gold (Jafar Panahi)

Kritik von Ekkehard Knörer

Eine Gittertür schließt sich, der dicke Mann, der Räuber, ist gefangen. Er schießt auf den anderen, er wird nicht entkommen können. Vor der Tür, jetzt vergittert, sein Komplize, entsetzt, auf- und ablaufend, Passanten, sich nähernd, sich entferndend, entsetzt, schreiend. Dann der dicke Mann, Gesicht zur Kamera, vor dem hellen Ausschnitt der Tür, auf den die Kamera langsam, kaum merklich zoomt, er setzt die Waffe an die rechte Schläfe. Schuss. Schnitt.
 
Demonlover (Olivier Assayas, F 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

Die Hölle der Folterkammer wird zwischen Realem und Imaginärem hin- und hergespiegelt. Im Passwort findet beides zueinander. "Demonlover" erzählt seine Geschichte der Demontage einer Heldin, deren Kontrollvermögen in Unterscheidungsfähigkeit besteht (meine Seite/die andere Seite) hinab, hinein in die Schichtungen einer Fassade, in denen der Unterschied von Oberfläche und Tiefe haargenau an der Bildfläche eines Monitors zuschanden geht. Landet die Heldin in der Folterkammer des Realen? In einer realen Folterkammer?
 
The Brown Bunny (Vincent Gallo, USA 2003)

Kritik von Ekkehard Knörer

Er dreht sich danach auf dem Bett zur Seite, verzweifelt, er weint, er verflucht sie. Es wird keinen Trost geben, keine Erlösung, das wissen wir spätestens jetzt, denn wie in düstere, regenverhangene Dämmerung fällt die Erklärung wie ein Blitz. Nun steht alles in großer Klarheit da: Es wird keinen Trost geben, eine Ende nur, das kein Ende ist: Vincent Gallo von der Seite, freeze frame, Schluss.
 
Hotel (Mike Figgis, GB 2001)

Kritik von Ekkehard Knörer

In "Hotel" wird das Bild, wird der Kader instabil, fächern sich die Bildsorten wie die Perspektiven und die von ihnen angezeigten Wahrnehmungsweisen auf, ohne noch auf einen archimedischen Punkt - sei es des Erzählens, sei es der Sinnstiftung - zurückzukommen. Gespensterhaft aber sind nicht nur die Bilder, gespenstergleich hausen Untote im Keller des Hotels, ein Zwischenreich, in das zuletzt auch Jonathan, der Produzent, der Regisseur werden will, eingehen wird.
 
Tape (Richard Linklater; USA 2001)

Kritik von Ekkehard Knörer

Ein Text, ein Raum, drei Darsteller. Unsichtbar, gelenk, geschwind und hin und wieder reißgeschwenkt: die digitale Kamera. Der Film als klassisches Theater: Einheit von Raum, Zeit (die hier als Realzeit auftritt), Handlung, dazwischen kommt nur der gesteuerte Blick. "Tape" könnte ein wunderbares Experiment sein. Am Ende ist es doch nur ein Film von Richard Linklater.
 
Spider (David Cronenberg; F/ Kanada/GB 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

Cronenberg hat in "Spider" die Schizophrenie in die Struktur des Bilds gelegt. Der Schock liegt nicht in dem, was zu sehen ist, sondern im Sehen selbst. Die, um es paradox zu formulieren: intensive Nüchternheit, die nachdrückliche Selbstverständlichkeit, mit der hier Wahnsinn als Äußerung eines wahnsinnigen Blicks vor Augen steht, verhindern das, was man gerne Mitgefühl nennt oder Identifikation. Mit der Figur. Was nämlich geschieht: Aufgezwungen wird dem Betrachter die Schizophrenie selbst, als Schwierigkeit, die Unterscheidungen, deren Verlust der Film nicht zeigt, sondern performiert - die Unterscheidungen zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen Gegenwart und Vergangenheit - anders als nur in der Reflexion wieder einzufügen.
 
Sympathy for Mr. Vengeance (Park Chan-Wook, Südkorea 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

Park setzt auf Externalisierung des Innenlebens seiner Figuren. An die Stelle des Mitgefühls tritt so der Blick auf massive Verletzungen des Körpers. Die Verzweiflung eines gefeuerten Arbeiters findet ihren Ausdruck in dessen Selbstverstümmelung: mit einem Teppichmesser versetzt er sich Schnitte in den Bauch, das heraustretende Blut verlangt nicht nach Deutung und produziert nicht Tränen des Mitgefühls. Es ist nicht Symbol, sondern nüchtern betrachtete Anklage, ein Schrei der Verzweiflung ohne jede Beimischung von Sentimentalität.

Eloge de l'amour (Jean-Luc Godard; Frankreich 2001)

Kritik von Ekkehard Knörer

In welchem Verhältnis die Splitter, Stränge, Schichten, Elemente des Films zueinander stehen, wird einem nahe gelegt, aber selten vorgeschrieben, zuletzt setzt Godard auf die Assoziationen des Betrachters. So auch hier: Die Wege, die durch Eloge de l'amour führen, sind alles andere als linear, sie fügen sich keiner vertrauten Konvention (man kann nur auf andere Filme verweisen, und zwar die von Jean-Luc Godard) und alles Nacherzählen verfälscht den Eindruck, den man vor der Leinwand hat: Verwirrung. Man kommt nicht nach. Zu viel zu schnell. Zu wenig aufklärbar in seinen Zusammenhängen.

 
Lucrecia Martel: La Nina Santa (Argentinien 2004)

Von Stephane Boeuf

Der Film endet im Swimmingpool. José bietet sich an, für Amalia eine Schwester zu werden. Beide schwimmen nebeneinander und beschreiben Diagonalen im Pool, während in den Räumen des Hotels, die sie verlassen haben, eine ganze Welt zusammenbricht.

Rithy Panh: S-21, la machine de mort Khmère rouge (23.11.)

Von Ekkehard Knörer

Theatrale Szenen, aber auf dieser Bühne, die keine Bühne ist, agieren keine Schauspieler. Sie beschimpfen die Gefangenen, die man nicht sieht, sie erklären, was sie tun und sie tun, was sie getan haben. Die Erinnerung bricht durch, in ihren Körpern. Die Erinnerung, die sie in ihren Körpern gefangen hielten all die Jahre, bricht heraus und die Körper fallen gestisch zurück in die Untaten, die sie nie vergessen haben, die sie nie vergessen werden. Ein paradoxes Moment von Freiheit und Unfreiheit zugleich: Die Freiheit, die sich die Körper nehmen dürfen, die Vergangenheit erinnernd einzugestehen und die äußerste Unfreiheit der Körper, die nur in der zwanghaften Wiederholung zur Erinnerung finden.

Benoit Jacquot: A tout de Suite (F 2004)

Von Ekkehard Knörer

In der weit reichenden Verinnerlichung seiner Motive schweigt der Film beredt zu den Hoffnungen einer Generation. Lesbar wird Jacquots Gangsterballade als Gegenstück zu Bertoluccis so sentimentalen wie nostalgischen "Träumern", dem Entwurf also einer Innerlichkeit, in dem Revolution, Liebe und Nouvelle Vague in ganz imaginärer Weise für einen Moment noch einmal zusammenfinden: eine Altmännerfantasie.

Ousmane Sembène: Moolaadé (Senegal 2004)

Von Ekkehard Knörer

Collé zieht eine Linie, ein buntes Seil vor ihrer Schwelle: Dieses Band schützt die vier Mädchen, die zu ihr kommen, auf der Flucht vor dem Ritual der Genitalbeschneidung. Ihnen auf den Fersen die Beschneiderinnen in rot, furchterregend, aber machtlos. Was sich entwickelt, ist, wenn man so will, ein Polit- und Gerichtsthriller, der um Fragen der Macht, von Sprechakten, von möglichen Revolutionen des Gesetzes kreist.

Hou Hsiao-hsien: Café Lumière (Japan 2004)

Von Ekkehard Knörer

Einen Ozufilm drehen, vierzig Jahre nach Ozus Tod, im Auftrag von Shochiku, Ozus Studio, als Hou Hsiao-hsien, einer der respektiertesten Autorenfilmer der Welt, ohne einen Ozufilm zu drehen, der in Wahrheit ein Houfilm wäre, oder einen Houfilm, der in Wahrheit ein Ozufilm wäre, der nur einen Knicks zu Ozu macht oder sich Ozu anverwandelt, einen Houfilm in Japan, der mit Ozu-Motiven spielt, eine Ozu-Geschichte, die als Houfilm erzählt ist, aber als Ozufilm kadriert, mit einem Ozuvater, halb verstummt, einer Ozutochter ganz von heute, also von diesem verstummten Vater kaum mehr beeinflussbar, wie soll das denn glücken.

Rituparno Gosh: Chokher Bali (Indien 2003)

Von Ekkehard Knörer

Der Zirkel des Begehrens kommt nicht zur Ruhe, sondern wird gesprengt. Die Inszenierung aber schließt, mit der Wiederholung einer selbst schon das Zirkuläre suchenden Einstellung, den Kreis: Der Blick auf ein Treppenhaus, zentral dabei aber die Treppen, die Architektur, das Statische, nicht die auf den Stufen, im Erdgeschoss herumeilenden Menschen.
 

Tian Zhuangzhuang: Delamu (Japan/China 2004)

Von Birgit Kellner

Ein Film wie "Delamu" lässt sich nicht ohne Skepsis betrachten. Volksrepublik China und Gebiete mit ethnischen Minoritäten - die Lisu, die Nu, die Tibeter -, da könnte viel Pittoreskes aufkommen, viel Lied und Spiel und Tanz und Naturverbundenheit, wie es eben die Volksrepublik China mit ihren Minoritäten heute so gerne hat. Das alles kommt aber nicht auf in "Delamu".

  
Jean-Marie Straub, Danièle Huillet: Une Visite au Louvre (F 2004)

Von Ekkehard Knörer

Die Stimme Cézannes, die Stimme von Julie Koltai, die Stimme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet. Oder geht das jetzt zu schnell. Wir dürfen die Schwarzbilder nicht vergessen. Wir dürfen die Bilder der Natur, die Bilder von Paris zu Beginn, die Bilder der Natur am Ende, die dürfen wir nicht vergessen. Sie sprechen zu uns ohne Stimme, sie sind uns zu sehen gegeben durch den Schnitt, der sie von den Bildern des Museums trennt.

Raja (Jacques Doillon, F 2003)

Kritik von Ekkehard Knörer

Der Film kennt keinen andere Standpunkt als diese beiden, ihren, seinen. Und dieser Standpunkt, ihrer, seiner, ist im Prozess staendiger Verschiebung begriffen, eines Fragens auch danach, ob dem anderen zu trauen ist. Und ob man sich selbst trauen kann. Beide wissen, nachdem sie sich auf das Wagnis dieses Missverstaendnisses eingelassen haben, immer wieder nicht mehr, wo sie stehen, was sie wollen. Eroeffnung von Sackgassen.
 
La vie nouvelle (Philippe Grandrieux, F 2002)

Text von Ekkehard Knörer bei New Filmkritik

 
Donnie Darko (Richard Kelly, USA 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

Irgendwann, immer dann, wenn er aus den Winkeln tritt, in die er sich gelegentlich zurückzieht, ist "Donnie Darko" dann zu voll. Verloren ans Zuviel. Zwischendrin hab ich ihn sehr gemocht. Nicht weil er clever ist, was er ist, sondern weil er zu ahnen scheint und ahnen lässt, dass da mehr sein könnte als das Viele, was er auftischt: dazwischen, daneben, dahinter. Im Stehenlassen der Momente, der Vignetten. Im langsamen Fallen aus der Welt.

 
Cypher (Vincenzo Natali, USA 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

In den Subjektstatus kann sich Sullivan/Thursby nur dank der Hilfe von außen retten. Drei Fronten sind es, zwischen denen der Held wie eine Billardkugel hin- und hergespielt wird, ohne zu wissen, wie ihm geschieht. Herr ist er nur, oder: immerhin, über dieses Nichtwissen. Er kommt zu sich, ohne je genau bestimmen zu können, wer genau der ist, zu dem er kommt. Ob er der ist. Oder ein anderer. Nur die Idioynkrasien sind ein Anhalt. Aber ist einer schon ein Subjekt, weil er weiß, was er gerne raucht oder trinkt? Nichts, lehrt uns die Werbung - bekanntlich die größte Gehirnwäscheagentur der Wirklichkeit -, ist manipulierbarer.
 
Safe (Todd Haynes, USA/GB 1995)

Kritik von Andreas Thomas

Die fragile Carol fällt geradezu aus allen ihren Bezügen, doch das Sicherheits-Netz ist eher eine Falle. Da ihr Leiden an einer sterilen Gesellschaft von derselben tabuisiert wird, muss sie es auf die "Umwelt" projizieren. Ihre deklarierten Helfer sind Scharlatane, sie greifen nach "Umwelt-Opfern" lediglich, um Geld aus ihnen herauszuholen. Falls die schwer kranke Carol überhaupt überleben sollte, ist eine psychische Rettung kaum in Sicht.
 
Trouble Every Day (Claire Denis; F 2001)

Kritik von Ekkehard Knörer

Die Zärtlichkeit, die vielleicht immer nur Schein war, von sich wirft, oder: eine andere Zärtlichkeit sucht, die Zärtlichkeit des Vampirs. Es ginge dann nicht um Deformation, sondern um das Zu-sich-Kommen einer Form. Eine Schönheit, der die schiere ungefällige Schönheit (die zugleich atemberaubende Hässlichkeit) der Körper von Béatrice Dalle und Vincent Gallo vorarbeitet. An diesen Körpern findet die Lust am Überströmen und Aufreißen der Haut, der Oberflächen, der Texturen ihre glaubwürdige Manifestation. Trouble Every Day ist die Lust am Bild als Textur der Oberfläche im Umschlag in den Rausch, den Blutrausch.
  
PTU (Johnnie To; Hongkong 2003)

Kritik von Ekkehard Knörer

Dieses Ineinander von Haupt- und Nebensachen entfaltet auf die Dauer großen Zauber. Auch die Bilder stehen, zu keinem Zusammenhang genötigt, für sich, als Schritt- und Schnittfolge von Schritten auf Asphalt, immer wieder zeigt To die Polizisten in der Reduktion der Action auf reine Bewegung. Das besitzt Eleganz ohne alle Stilisierung, Johnnie To gelingt das kleine Wunder, der Form, die alltäglich daherkommt, eine seltsame Poesie zu entlocken.
 

Blissfully Yours (Apichatpong Weerasethakul; Thailand 2002)

Kritik von Ekkehard Knörer

"Best Undistributed Film 2002",
Village Voice

Gewinner "Un Certain Regard",
Cannes 2002

Die Natur, in die die Figuren sehr buchstäblich gebettet werden, legt Vorstellungen des Paradiesischen nahe. Weerasethakul durchkreuzt sie freilich mit leichter Hand: Orn, auf dem Weg zu Min und Roong, duchquert eine Art Mülldeponie mitten im Wald. Die Reduktion der drei Figuren aufs Kreatürliche ist vielleicht nicht mehr als genau das: alle Mitbeschreibung von Gesellschaft wie von Plot-Zusammenhängen ist aus den Bildern gedrängt zur Eröffnung eines Freiraums, der dann der Raum (auch der von nichts als der Montage und der Dauer der Einstellungen gegebene Zeit-Raum) eines reinen Kinos wäre, das nicht mehr im Sinn hat als sich (die Kamera wie die Leinwand) bereit zu halten fürs Notat. Von Körpern, von Anblicken.
 
Timecode (Mike Figgis; GB 1999)

Kritik von Ekkehard Knörer

Timecode bewegt sich an den Grenzen der Erzählform Kino. Ein klarerweise experimenteller Film, aufgebaut aus zwei vergleichsweise kontingenten Prämissen. Prämisse 1: Timecode ist ein Film ohne einen einzigen Schnitt, gedreht in Realzeit, eingefangen von einer Digital Video Kamera. Prämisse 2: Erzählt wird die Geschichte, werden die Geschichten, in vier Strängen - und das ist nur so zu bewältigen, dass der Schnitt, der diese in einem Standardfilm (dem so freilich die Realzeit immer noch nicht ausgetrieben wäre) verflechten würde, als Splitscreen-Kreuz auf die Leinwand selbst verlegt wird.

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