Michael Snow: *Corpus Callosum

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Michael Snow: *Corpus Callosum

 

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Michael Snow: *Corpus Callosum (Kanada 2002)

 

Kritik von Ekkehard Knörer

Eintrittsszenario: Die Tür, das Schild "Corpus Callosum", der Monitor, rechts oben, Menschen gehen hinein, kurze Blicke nur in den Raum dahinter. Vielleicht sollte man "Raum" sagen. Und "Menschen"?

Der größte Teil des digitalen Videos, das in den Kinos auf 16mm kopiert zu sehen ist, besteht aus einer Kamerafahrt durch ein Büro, oft, öfter, es entsteht eine Loopanmutung. Nur ist nie dasselbe zu sehen, Snow treibt sein Spiel mit der Wiederholungstruktur und ihren Abweichungsmöglichkeiten. Wohin er es treibt, sagt er im Begleittext, ist ein Raum des "Zwischen", daher der Titel: das corpus callosum verbindet die Hirnhemisphären. Genauer aber wäre vielleicht zu sagen, er treibt seine Bilder, seine Darstellung in einen Raum des "Ver". Verzerrung, Verschiebung, Verdrehung, oder schlicht: Veränderung. Es geht um die Repräsentation der Abweichung im Übergang. Was man spürt, ist diese Bewegung, die im "Ver" liegt, nicht die Stasis des "Zwischen".

Zwei Spielräume.

Das Büro: Tische, Menschen (die schweigen, die sich berühren, die herumsitzen), Computer, Fenster im Hintergrund. Immer wieder fährt das "Ver" hinein in den Raum, die Figuren, zerrend, drehend, zückend, bindend, färbend. Bilderscherze, einer reicht einem anderen ein Papier, ein Lichtschein fährt den Mann hinab, die Fahrt eines digital hinein manipulierten Kopiererschlittens. Zwei berühren sich, ein Lichtblitz und sie verzerren sich zum hysterischen Bogen. Die Computermonitore verstummen farbig und korrespondieren den Blusen der Personen im Büro.

Das Wohnzimmer: Der Fernseher, ein ausgestopftes Tier, der Junge, der Vater (?), die Mutter (?), die grüne Wand, daran die Gitarre, das Renaissance-Bild, das rote Dreiecksbild und noch mehr Gegenstände. Hinein fährt die Lust des Regisseurs am Spiel mit den Möglichkeiten des Digitalen. Das Video-Bild ist eine offene Fläche, die sich dem Zugriff der Bearbeitung darbietet. Das Video-Bild, sagt Michael Snow, ist seiner Natur nach instabil, dem "Ver" unterworfen. Eine ausgewachsene Ontologie im Begleittext, der der Film die Probe aufs Exempel stellen will. Was man sieht: Spielereien, die das Offenkundige ausstellen: Es lässt sich mit digitaler Bearbeitung digitaler Bilder allerhand anstellen. Dann wandert, als schweres, als überdeutliches und zugleich als theoretisch sehr unscharfes Zeichen, ein nackter Hermaphrodit durchs Bild, setzt sich auf die Familiencouch, wird digital verzerrt und weiter geht's.

Ein dritter "Spielraum": Die Reflexion, auch sie wird ausgestellt unübersehbar und sagt vor allem, dass sie reflektiert, was geschieht. In der Wand, die grün ist, von der die Gegenstände "wie von Zauberhand" (um es ganz altmodisch auszudrücken; aber Verzauberung findet hier nicht statt) verschwinden, an die sie zurückkehren, schwupp, ein Spiegel. Im Spiegel zu sehen die Kamera, der Regisseur, gelegentlich ein Darsteller. Selbstreflexivität 101. Monitore im Bild ohne Unterlass, die stumpf sind, die nichts zeigen, keine Fenster mehr zur Welt. (Im Wohnzimmer: Das Renaissancebild. Der Spiegel, der, in letzter Instanz, die Spiegelung spiegelt, darin aber die Wahrheit über die Herstellung von Repräsentation behauptet. Als wäre das Fenster zur Welt nicht eine über Reflexionen hergestellte "Öffnung", der Schein einer Öffnung, aus dessen Scheincharakter heraus dann paradox "wahre" Öffnungen entstehen. Die Verstumpfung des Fensters zum Spiegel ist das selbst verschuldete Verharren auf der Selbstbespiegelung der Repräsentation.)

Der Ton: Es brummt, pfeift, dazwischen die Anweisungen des Regisseurs. Auch hier verstopft Snow einfach den paradoxen Spiegelraum der Repräsentation und behauptet implizit in der Verstellung, dass Repräsentation als Darstellung von Welt ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wir sollen, sagt er, keinem Bild glauben. Wir sollen ihm keines der Bilder abnehmen. Das ist leicht gesagt und im Falle von *Corpus Callosum auch leicht getan. Die wirklich interessanten Fragen der Repräsentation beginnen allerdings jenseits dieser ermüdenden Exerzitien. Die Reise ins "Ver" ist ein Ablenkungsmanöver..

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