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An der Grenze zwischen Brooklyn und Manhattan bewegt sich "The Forgotten"
eine ganze Weile auf der Grenze zwischen dem Psychotischen und der Realität
des Übersinnlichen. Später wird er weit hinausschießen,
über beide Grenzen, in Richtung einer Eindeutigkeit, die nicht jedermanns
Sache ist. Mehr darf man nicht sagen über eine Geschichte, die vom Verlust
eines Sohnes erzählt, an den sich außer der Mutter keiner erinnert.
Das Alibi für die Entschlossenheit, mit der der Film sich auf die Seite
der Psychose schlägt und ihr die Dignität des Tatsächlichen
verleiht, kann nichts sein als ein Familienwert. Das Muttertier, das alle
Grenzen überwindet, die Plausibilität hinter sich lässt und
den Ehemann, das Muttertier, das sich ins Abenteuer des Realesoterischen
aufmacht, unbeirrbar, wahnsinnig, dies Muttertier ist Julianne Moore und
der Besetzung verdankt sich kein geringer Teil der Überzeugungskraft
des Films.
Kraft, wenn nicht Gewalt. Sich und uns zugemutete Gewalt; die Wendung
himmelwärts, die Gewalt, mit der es Decken und Häuser wegreißt
und Menschen auch. Bei aller Gewalt aber ein sehr schöner Sinn fürs
Ökonomische: Außerirdisch ja, aber in wundenheilerischer
Minimalmarkierung (und zu viel schon die mit dunklem Echo grundierte Stimme,
die Verzerrung des in seiner Starrheit schon ausreichend markierten Gesichts).
Special Effects ja, aber hast du nicht gesehen, sind sie schon wieder weg:
die Menschen, die Effekte. Das Spökenkiekerische ja, eine zitternde
Draufsich hier, stiebende Blätter da, aber vor allem ganz
unglamouröses Brooklyn und eine Entscheidungsschlacht im
Leergeräumten. Wenn sonst nichts einnehmen sollte für den Film
(nicht die Konsequenz, mit der Schwarz getragen wird, nicht die Entschlossenheit,
mit der auf eingehendere Erklärungen verzichtet wird, nicht die Freude
an des Messers Schneide, auf der sich der Beginn lange bewegt), dann doch
der Sinn fürs Haushälterische: Der Verlust der Erinnerung als
Bilderverlust, ein leeres Fotoalbum, gelöschte Bänder. Die
Annäherung im Nach-und-Nach an die lichte Abschiedsszene, deren Status
erst zu klären ist. All der Hokuspokus, den man sich im Off denken darf,
aber nicht muss. Die Esoterik, die im Hintergrund bleibt, der Vordergrund
bleibt freigeräumt für Julianne Moore. Die Ernsthaftigkeit, mit
der die Geschichte zu dem Unsinn steht, den sie erzählt. Der Wille,
kein Jota nachzugeben, das bis ans Ende durchzuziehen, um eine nicht tot
zu kriegende Mutterliebe herum eine Geschichte zu bauen, die die Lizenz des
ideologischen Alibis himmelwärts überschießt. Und es
hinzukriegen, dass man sich für diesen Film, der mit zu hohem Budget
eine wüste B-Movie-Story erzählt, gerade kein niedrigeres Budget
wünscht und nicht das Wüste, das sich dem Mangel an Geld verdankt.
Wie hier ein zu sich selbst, zum Soliden, wie zum Unfug stehender solider
Unfug in eine Hollywood-Landschaft gestellt wird, die jeden Gedanken sonst
zwischen Effects und Sentiment verpulvert. Wie das natürlich trotzdem
kein wirklich guter Film ist, aber eine dieser Oddities, die die
Julianne-Moore-Komplettisten der Zukunft gelegentlich wiederentdecken und
dann auch wieder vergessen werden. Hier und da ein freundlicher IMDB-Kommentar,
alle paar Jahre. So stelle ich mir das weitere Schicksal von "The Forgotten"
vor.
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