Von der europäischen und amerikanischen Romantik her - durch die
Kioyshi Kurosawa sich auf der Suche nach Motiven derzeit durchzuarbeiten
scheint - ist der Doppelgänger vertraut als Projektion eines Inneren
nach Außen. Das Unheimliche des Phänomens verdankt sich der Tatsache,
dass der Andere Ich ist und Ich mir darüber als ein Anderer erscheine.
Das Subjekt gerät in einen Schwindel, der Doppelgänger ist
Verkörperung eienr Mise-en-abyme des Selbst, ein Abgrund aus
Spiegelverhältnissen. Das zum Anderen stabilisierte Ich geht in seinem
Inneren an dieser Veräußerung zugrunde.
Mit einem Zusammenbruch, dem Selbstmord eines Teenagers, der sich, d.h. seinem
Doppelgänger begegnet ist, beginnt auch Kurosawas Film. Von den
Gründen für den tödlichen Schrecken macht er uns freilich
keinen Begriff, es ist dieser erste, im Bild kaum gezeigte Fall, nicht mehr
als ein Präludium zur Doppelgänger-Hauptgeschichte. Und die dreht
sich um den genialen Erfinder und borderline-mad-scientist Hayasaki, der
gerade an einer prothetischen Maschine arbeitet, die Gehirnströme in
Bewegung umsetzt. Hayaski, finanziert von einer Firma, die ihm nicht den
nötigen Respekt entgegenbringt, wird im Moment einer Krise von seinem
Doppelgänger heimgesucht.
Auf den Schrecken folgt nicht der Absturz, sondern die Einrichtung in ein
Verhältnis. Der zweite Hayasaki kennt nicht die Skrupel des ersten.
Er vernichtet das Forschungslabor, er mordet, er besorgt sich Geld, er
stürzt sich auf das Mädchen, an das sich sein anderes Ich nicht
rantraut. Für einen Moment scheint das die Aufteilung: der amoralische
Hayasaki greift dem skrupulösen Erfinder unter die Arme. Ein
Verhältnis der Konkurrenz, es gibt Konflikte zwischen
Zwillingsbrüdern, aber alles Unheimliche, der ganze potenzielle
Subjektschwindel ist ins Äußerliche gewendet.
Dieses Äußerliche findet sich in Kurosawas Inszenierung der
Begegnungen zwischen beiden wieder. Er teilt die Leinwand per Splitscreen
in Felder, mal zwei, mal drei, einmal noch mehr, durch die die beiden Hayasakis
sich bewegen, als wäre es nicht derselbe Raum. Eine Logik jedoch, der
diese Vervielfachungen folgten, ist nicht erkennbar, weder eine formale noch
eine psychologische. Dasselbe gilt für den Einfall, die beiden einmal
aus demselben Mittelbild in zwei erst identische, dann sich differenzierende
Seitenbilder auseinandertreten zu lassen. Eine Illustration des
Doppelgänger-Motivs, aber keine Analyse, keine These, keine Entwicklung.
Kein Wunder, dass Kurosawa das Motiv dann nach etwa zwei Dritteln des Films
vergisst, aus dem Weg räumt mit ein paar gezielten Schlägen mit
bereitliegendem Werkzeug. Es ist ein bisschen wie bei Chandler, der immer
dann, wenn er nicht weiter wusste, jemanden mit einem Revolver auftreten
lässt. Hier greifen die Figuren zum Hammer, zum Stahlrohr, zur Zange.
Ein paar dumpfe Hiebe, Blut und weiter geht es in einer Geschichte, die zuletzt
nichts weiter zu suchen scheint als diese Art von Fortgang. Der Film wird
zum Road-Movie mit Prothesen-Maschine, Werkzeug, Halbtoten und Leichen. Er
bewegt sich fort, ans Meer, keiner weiß warum, er findet ein Ende,
weil eines kommen muss, aber den Sinn, die Romantik, die Maschine und
sämtliche angeschleppten Motive schmeißt Kurosawa über die
Klippen seines Schlussbilds wie ein trotziges Kind.
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