Im Tal der Ahnungslosen
Im Sommer sprießen romantische Komödien im Kino wie die
Blumen auf dem Balkon. Es ist die Saison der Verliebten. Aller Orten
stößt man in der freien Natur auf küssende Paare. Die hormonelle
Hitze kocht einen fürs fiktionale Balzverhalten als Trockenübung
im Kino weich.
Jetzt bricht seine Zeit an: Garry Marshall, Meister unter den Regisseuren
für den Hindernislauf zum Traualtar, entkräftet erfolgreich die
Bindungsangst paarungswilliger Städter: etwa beim introvertierten Duo
Michelle Pfeiffer und Al Pacino in "Frankie & Johnny" oder bei der gibbelnden
Julia Roberts an der Seite von Richard Gere in "Pretty Woman", der eine Dekade
später in "Die Braut, die sich nicht traut" erneut an ihrem Rockzipfel
hing. Für die jüngere Klientel unter seinen Zuschauerinnen
öffnete der Regisseur das MTV-kompatible Märchenbuch und zog eine
waschechte New Yorkerin in Doc Martens aus den Seiten hervor, die
"Plötzlich Prinzessin" wurde.
Auf dem Lehrpfad der "Liebe auf Umwegen", so heimliches Motto aller
und Titel seines aktuellen Films mit Kate Hudson ("Almost Famous"), bewegt
sich der 1934 geborene Marshall als Gentleman der alten Schule. Wer über
die eindimensionalen Charaktere in seinen Filme klagt, gesteht trotzdem neidlos
zu, dass diese in der rührenden Schilderung existenzieller Belange
ihresgleichen suchen.
Nirgendwo sonst schlägt das Schicksal so sanft bei den vom Leben
gebeutelten Menschen zu: Du glaubst nicht mehr an die Liebe? Mit dem richtigen
Mann putzt du dir eines Morgens gemeinsam die Zähne. Du prostituierst
dich auf dem Sunset Boulevard? Es fährt ein Prinz mit seiner weißen
Limousine vor und nimmt dich mit. Du demonstrierst in Springerstiefeln für
den Frieden? Das geht auch in der Seidenrobe und mit einem Krönchen
auf dem Kopf.
Der neue Film "Liebe auf Umwegen" folgt der Zeitströmung zum
Kind als Accessoire im Leben von Karrierefrauen: Der Unfalltod von Schwester
und Schwager macht die rund um die Uhr beschäftigte Model-Agentin Helen
(Kate Hudson) über Nacht zur Pflegemutter von drei fünf- bis
15-jährigen Kindern. Garry Marshall, dem die berufstätige, sich
mit wechselnden Partnern vergnügende Frau aller Wahrscheinlichkeit nach
den Angstschweiß auf die Stirn treibt, liefert ihr den Neffen und die
zwei Nichten wie ein Eilpaket an die Tür des
Ein-Zimmer-Apartments.
Für den zwingend notwendigen Paarlauf zum Traualtar stellt er
ihr den Eishockey spielenden Pastor Dan (John Corbett , "My Big Fat Greek
Wedding"), lutheranisch, also heiratsfähig, an die Seite. Es geschieht,
was geschehen muss, aber dank der vergnügten Hudson und der Stammbelegschaft
(das Faktotum Hector Elizondo sowie die ewige Nebendarstellerin, Joan Cusack,
die den Status der "Supporting Actress" in jedem ihrer Filme wie eine Hauptrolle
ausfüllt) verdirbt das für jeden Tölpel vorhersehbare
Glückskeks-Ende nicht den zeitlich befristeten Spaß an der
Komödie.
Übrigens: Die Saison der romantischen Komödien zieht sich
bis in den Herbst, am 23. September startet der zweite Teil von "Plötzlich
Prinzessin".
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