Collé zieht eine Linie, ein buntes Seil vor ihrer Schwelle: Dieses
Band schützt die vier Mädchen, die zu ihr kommen, auf der Flucht
vor dem Ritual der Genitalbeschneidung. Ihnen auf den Fersen die Beschneiderinnen
in rot, furchterregend, aber machtlos. Was sich entwickelt, ist, wenn man
so will, ein Polit- und Gerichtsthriller, der um Fragen der Macht, von
Sprechakten, von möglichen Revolutionen des Gesetzes kreist. Der Schauplatz
ist ein Dorf in Westafrika, dem Ousmane Sembene keinen Namen gibt, der
exemplarische Charakter wird umso deutlicher. Machtfragen finden ihre Darstellung
in Topografie, in der Verteilung und Aufladung von Räumen, in denen
das rechte Wort, die falsche Tat ihren Platz haben, in Handlungen, die als
solche symbolisch sind.
Mit dem bunten Seil, dem Ziehen der Linie, die Schutz gibt, unternimmt
Collé einen Einschnitt in den homogenen Raum der Tradition. Der Schnitt,
die Beschneidung der Frau, sind unbezweifeltes Ritual einer patriarchalischen
Gesellschaft, die sich - das macht Sembene klar - an den Ritualen stabilisiert,
die Akte und zugleich Symbole der Unmöglichkeit des Zweifels sind. Der
Widerstand, Collés Widerstand, ist möglich nur im Rückgriff
auf eine gleichfalls heilige Tradition, einen Mythos, der in der Topografie
des Ortes doppelt instituiert ist: als Straußenei auf dem Dach der
Moschee, als Ameisenhügel, an dem eine Geschichte hängt, die ihn
zum mythischen Ort macht. "Moolaadé" heißt Schutz, aufheben
kann ihn die Person, die ihn gewährt hat, nur durch ein Wort - das nie
gesprochen wird.
Das Machtspiel kann beginnen. Der Schwager Collés - die die zweite
von derzeit drei Frauen Cirés ist - stachelt seinen Bruder an, Collé
zur Aufhebung der "Moolaadé" zu zwingen. Das Aufhebungswort muss
gesprochen, die Ordnung der Tradition wiederhergestellt werden. Drei weitere
Figuren markieren zusätzliche Positionen. Ein Ex-Söldner, der als
fliegender Händler für das Eindringen der Moderne in die afrikanische
Provinz steht, im Guten wie im Bösen. Er führt Kondome und
aufklärerisches Gedankengut im Gepäck, kennt aber keine
geschäftlichen Skrupel und entschuldigt sich im Zweifelsfall mit der
Globalisierung.
Amasatou, Collés Tochter, ist der Präzedenzfall. Collé
hat in ihrem Fall schon die Beschneidung verweigert, nun verliert sie ihren
Ehemann. Der nämlich ist der Sohn des Dorfoberhaupts, kommt gerade aus
Paris, bringt einen Fernseher mit und der Vater verbietet die Heirat mit
der nicht Beschnittenen. Die Radios der Frauen werden als Schuldige ausgemacht,
eingesammelt, auf einen Haufen geworfen und verbrannt. Es wird nichts helfen,
der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Es kommt zur Aushandlung
der Machtverhältnisse, Sembene verschärft und vereinfacht den Konflikt
in optimistischer Agitprop-Manier zur Geschlechterfrage, die Revolution findet
statt, auf dem Dorfplatz, die Niederlage der Männer lässt sich
auch durch einen blutigen Racheakt nicht abwenden.
Die Radios verbrennen, schwarzer Qualm steigt gen Himmel. Sembene zeigt das
Straußenei. Dann, die letzte Einstellung, die Fernsehantenne, Symbol
des Kulturoptimismus.
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