Rache ist eine Form von Erinnerung: Die Tat darf nicht vergessen werden
und führt zur Rachetat, die zur nächsten Rachetat führt. Die
Erlösung schenkt nur der Tod, der ein Ende setzt. Neben dem christlichen,
das im Verzeihen liegt, wäre nur ein anderes Ende denkbar, eine
Löschung der Rache im Vergessen, ließe sich das Vergessen lernen,
könnte Erinnerung vegehen wie Spuren im Schnee.
Fünfzehn Jahre ist Oh Dae-Su eingesperrt, ohne Begründung. Es bleibt
ihm nichts, all die Zeit, als das Erinnern. Das Erinnern der Zeit selbst,
die er sich, Jahresstrich für Jahresstrich, unter die Haut tätowiert,
das Erinnern der Zukunft, die die Rache sein wird, für die Gewalt, die
ihm angetan wird, jede Minute seiner Isolation. Das Erinnern der Gegenwart,
die nicht zerrinnen darf, die den Willen zur Rache wachhalten muss, er schreibt
sie nieder, Seite um Seite, Buch um Buch. Er bereitet sich vor, er tritt
und boxt gegen die Wand, bis die Hände schmerzen, er gräbt sich
ins Freie. Gelegentlich schickt der Teufel, der diese kleine Hölle regiert,
das Gas vorbei und die Hypnotiseurin, die der Joker ist im Spiel um Erinnern
und Vergessen, das hier gespielt wird.
Dann ist Oh Dae-Su frei und begibt sich auf die Suche nach seinem Folterer,
nach dem Grund für die Folter. In einer Sushi-Bar findet er eine junge
Frau mit kalten Händen, er will etwas essen, das lebt (wie die Erinnerung),
er schlingt einen Tintenfisch in sich hinein, die Tentakeln zappeln, das
Handy klingelt, Oh Dae-Su fällt in Ohnmacht und findet sich wieder bei
der Frau, die auch nicht recht weiß, wie ihr geschehen ist. Ein
Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dessen Verlauf sich zeigt: Die Rache,
fünfzehn Jahre, war Strafe für Ohs Vergesslichkeit und mit dem
Einschreiben der Rache in den Körper des Gefangenen ist es noch längst
nicht getan.
Die Rache zeugt sich fort und fort. Die Erinnerung kehrt wieder, Oh sucht
seine Vergangenheit auf und entdeckt die Urszene, zu deren Wiederholung ihn
sein Folterer verurteilt hat. "Old Boy", der Film, stürzt seinen Helden
immer tiefer in den Schacht des Erinnerns, eine Windung der Spirale nach
der anderen. Erkenntnis wird dabei stets in Gewalt übersetzt, Gewalt
in Erkenntnis - Versöhnung aber folgt nicht aus den immer neuen Rechnungen,
die die Narration hier aufmacht. Und Rechnungen, deren Element einzig Gewalttaten
sind, können nicht aufgehen, sie sind mit Blut geschrieben und können,
wenn keine Göttin aus der Maschine eingreift, nur blutig enden.
Einem japanischen Manga hat Par Chan-wook seinen faszinierenden Stoff entnommen.
Vielleicht stammt daher auch die Idee, ihn möglichst stylish zu inszenieren.
Es ist eine schlechte Idee, Splitscreen für Splitscreen und Draufsicht
für Draufsicht. Das Blutbad genügt hier nicht (im stärkeren,
klareren Vorgänger "Sympathy for Mr. Vengeance" genügte es), der
Plot muss auch noch, Bild fast für Bild, im Stilbad gewälzt werden,
der Held im splitternden Glas. Im Willen zum Stil geht die Klarheit verloren,
die nötig wäre, um den emotionalen Spannungsbogen der verwickelten
Geschichte zu erhalten. Park will von jeder einzelnen Einstellung zu viel,
traut der Logik der Rache zu wenig, und darum steht der Betrachter am Ende
mit leerem Herzen da. Eine Verpuffungsreaktion.
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