Der Kreis gibt das Leitmotiv: Der Blick des afghanischen Brunnenbauers
Nasim nach oben ins kreisrund aus der Schwärze ausgeschnittene Licht;
das im Bewegungsschwung an der fast gerade abfallenden Wand des Velodroms
entlangrasende Motorrad; und vor allem, die Fahrt des Protagonisten, der
Titelfigur, des Radfahrers im Kreis, sieben Tage, sieben Nächte, zum
Gaudium des Publikums, zur Lebensrettung, als Einnahmequelle von
Hintermännern.
In diese vielfache Kreisbewegung liest Mohsen Makhmalbaf in mehr als einem
Ausbruch aus ihr so allerlei ein: Das Sozialdrama um die Jobnöte in
den Iran geflüchteter Afghanen. Das Krankheitsdrama um die Ehefrau Nasims.
Intrigendramen verschiedener Art, die sich an die dauernde, unaufhörliche
Bewegung des Radfahrers sozusagen ankristallisieren. Versuche, ihn aus dem
Weg zu räumen, mit Geld, mit Drogen. Die Versuche, ihn um jeden Preis
in Bewegung zu halten. Eine Verquickung von Spektakel, Sozialem, Verzweiflung
und einem über die eigene Leiche gehenden Fanatismus, die natürlich
an einen anderen Film erinnert, Sidney Pollacks anders und doch ähnlich
situiertes Tanzmarathon-Depressions-Meisterwerk "They Shoot Horses, Don't
They".
Wo der amerikanische Film aber die Konzentration sucht und die
Beschränkung, da überwiegen im iranischen Film die
Zentrifugalkräfte. Makhmalbafs Kamera gewinnt, mit voller Absicht, aber
nicht immer mit gutem Grund, ein Eigenleben. Nebengeschichten unterbrechen
das fortwährende Zirkulieren auf engstem Raum (Zirkus, Zirkulieren:
diese Nähen legt der Film sehr konkret und ausdrücklich nahe);
eine Handleserin, konkurrierende Ärzteteams, die Wertsteigerung afghanischer
Arbeitskraft. Es ist, als wollte der Film sich, seine Geschichte, weniger
im Zirkulieren der Hauptfigur als in den oft fast frenetisch geschnittenen
Ausbruchsbewegungen situieren. Es ist, so viel steht fest, keinesfalls irgendeine
Form von Ruhe oder steady state, die er sucht. Er fiebert sich darin um sein
Leitmotiv, verliert alle Geschlossenheit. Das mag eher Symptom eines Zustands
des Makhmalbaf-Kinos und seines Blicks auf eine zerrissene Gesellschaft sein
als gelungene Vollstreckung eines Kunstwillens. Faszinierend aber: allemal.
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